DIGITAL BENIN - Zusammenführung der königlichen Kunstschätze

Museum am Rothenbaum - Kulturen und Künste der Welt

Hamburg, 16.04.2020 – Das Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) in Hamburg eröffnet mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung ein internationales Projektbüro zur digitalen Zusammenführung der weltweit zerstreuten Kunstwerke aus dem ehemaligen Königreich Benin. Als beispielloses Wissensforum wird Digital Benin innerhalb der nächsten zwei Jahre Objektdaten und zugehöriges Dokumentationsmaterial aus Sammlungen weltweit bündeln und somit den seit Langem geforderten Überblick zu den im 19. Jh. geplünderten Hofkunstwerken ermöglichen. Ziel ist ein fundierter und nachhaltiger Bestandskatalog über Geschichte, kulturelle Bedeutung und Provenienz der Werke. Das Projekt deutscher, nigerianischer, europäischer und amerikanischer Expert*innen wird mit über 1,2 Mio. Euro von der Ernst von Siemens Kunststiftung finanziert. Der Launch der Website ist im Jahr 2022 geplant.

} Download Pressemitteilung vom 16.4.2020
} Download Pressefotos

Die koloniale Besetzung des Königreichs Benin (heute Edo State, Nigeria) durch britische Truppen im Februar 1897 führte zu einer weltweiten Zerstreuung von schätzungsweise 3000 bis 5000 Objekten, die aus dem königlichen Palast und anderen zeremoniellen Stätten entwendet wurden. Die Kunstwerke aus Bronze, Elfenbein und Holz, die häufig unter dem Begriff „Benin-Bronzen“ zusammengefasst werden, stehen heute im Fokus öffentlicher Debatten um Restitution von kolonialem Erbe. In Aussicht stehende Rückführungen können den tragischen Verlust lokalen Wissens und kultureller Werte mindern, doch bedarf es darüber hinaus einer Erschließung vorhandener Wissensressourcen. Ein Gesamtüberblick über die einst zusammenhängenden Objektkomplexe und bis heute erhaltenen Informationen, die auf eine Vielzahl von Institutionen verteilt sind, soll ein umfassenderes Bild von dem Stellenwert dieser herausragenden Kunstschätze ermöglichen.
Die Ernst von Siemens Kunststiftung finanziert nun mit über 1,2 Mio. Euro das Projekt Digital Benin. Zusammenführung der königlichen Kunstschätze. Unter der Leitung von Prof. Barbara Plankensteiner (Direktorin MARKK) entwickelt ein Kernteam bestehend aus Dr. Felicity Bodenstein (Dozentin für Heritage Studies, Sorbonne Université Paris), Dr. Jonathan Fine (Museumsleiter, Ethnologisches Museum der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz) und Dr. Anne Luther (Information Technology Consultant) in Kooperation mit Objektspezialist*innen und Wissenschaftler*innen aus Nigeria, Europa und den USA innerhalb der nächsten zwei Jahre eine digitale Plattform, die erstmals sämtliche weltweit existierenden Benin-Bestände, historische Fotografien, Archivalien, Zeitzeugenberichte, Publikationen und Oraltraditionen online bündelt und einen international zugänglichen Informationskatalog schafft. Die Online-Präsenz soll lokales Wissen mit historischen und aktuellen Forschungserkenntnissen verknüpfen unter Einbeziehung gegenwärtiger Interpretationen aus der rituellen Praxis wie auch künstlerischer Perspektiven. Digital Benin soll Zugang zu Informationen über Geschichte, kulturelle Bedeutung und Provenienz der Werke für Wissenschaftler*innen zu Recherchezwecken ermöglichen, aber auch für die allgemeine Öffentlichkeit nutzbar sein, und wird eine wichtige Rolle in der Förderung weiterer Forschung vor allem von nigerianischen Wissenschaftler*innen spielen, die bislang aufgrund der Unzugänglichkeit des Materials in europäischen und amerikanischen Museen und Archiven benachteiligt waren.
Die Online-Plattform stellt Daten aus diversen nationalen und internationalen Museumsdatenbanken zusammen, die derzeitig Benin-Werke in ihren Sammlungen halten. Die unterschiedlichen Daten und Informationen werden durch ein nutzerfreundliches Interface zusammengebracht, um das textuelle und visuelle Material zu veranschaulichen und informativ darzubieten. Zugleich wird die Plattform Spezialist*innen ein digitales Werkzeug bieten. Das technische Team wird durch neue digitale und mediale Methoden eine Datenzufuhr für die Plattform entwickeln, die künftig als Modell für die international vernetzte Zusammenarbeit im Museumsbereich und die digitale Zusammenführungen anderer Bestände dienen kann. Das gerade in Gründung befindliche Royal Museum in Benin City soll in Zukunft Haupt-träger dieser Online-Ressource werden. Die Sprache wird Englisch sein, relevante Terminologie in der Edo-Sprache wird mitberücksichtigt. Das Digital Benin Projekt entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Benin-Dialog-Gruppe, der der Königshof Benin, das Edo State Government und die National Commission for Museums and Monuments Nigeria sowie sämtliche europäische Museen mit bedeutenden Benin-Sammlungen angehören. Dem Projektantrag ging ein zweitägiger Workshop im Oktober 2019 voraus. Eine Gruppe von 18 internationalen Expert*innen aus Nigeria, Großbritannien, den USA, Schweden, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland beriet im Hamburger Museum am Rothenbaum über die Entwicklung und Herausforderungen des Projektes. In einem ersten Schritt werden die Partnerinstitutionen der Benin-Dialog-Gruppe Daten zu ihren Benin-Beständen zur Verfügung stellen. Dieses Material von schätzungsweise 2000 Objekten bildet einen soliden Ausgangspunkt für den weiteren Ausbau der Plattform durch Integration von weiteren Daten amerikanischer und anderer Bestände.

Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär Ernst von Siemens Kunststiftung:
„Die Ernst von Siemens Kunststiftung fördert seit langem die Erstellung von Bestandskatalogen für Museen. Dieses Projekt ist ambitionierter als alle Vorgänger, sind doch die einzigartigen Bestände auf zahlreiche Museen, viele davon in Deutschland, verteilt. Die Förderung soll den lange vermissten Überblick zur 1897 zerstreuten Kunst Benins ermöglichen, die Schönheit und Qualität der Werke allen Interessierten auch aus Nigeria zugänglich machen sowie internationale Forschung ermöglichen. Mein Wunsch ist, dass dieses Projekt Rückgabediskussionen versachlicht, eine ver-lässliche Basis zur Einschätzung der Bestände liefert und einen nichtkonfrontativen Austausch und die Zusammenarbeit aller an Benins Kunst interessierten Kolleg*innen – der auch in der Benin-Dialog-Gruppe gepflegt wird – befördert.“

Zurück