Adam Elsheimer, Der in Armut verzweifelnde Künstler
Staatliche Graphische Sammlung München
Adam Elsheimer ist einer der wenigen deutschen Künstler des beginnenden Barockzeitalters von höchstem internationalen Rang und Ansehen. So beklagte Peter Paul Rubens in einem Brief seinen vorzeitigen Tod als schmerzlichen Verlust für die Welt der Künste.
Als Sohn eines Schneiders 1578 in Frankfurt geboren, begab sich Elsheimer nach einer Malerlehre bei Philipp Uffenbach auf die übliche Wanderschaft, berührte München und Venedig, um sich im Jahr 1600 in der deutsch-niederländischen Malerkolonie von Rom nieder-zulassen. Sein Ruhm beruhte vor allem auf seinen phantasievollen, kleinformatigen Malereien auf Kupfer mit landschaftlichen und mythologischen Themen.
Die erst 1995 aufgetauchte Zeichnung „Der in Armut verzweifelnde Künstler" bildet schon auf Grund ihres ungewöhnlichen Themas einen höchst bedeutenden Zuwachs im schmalen, nur aus rund zwanzig anerkannten Blättern bestehenden Zeichnungsœuvre des Künstlers. Ein ältlicher, in eine Art Toga gekleideter Mann, Künstler oder Gelehrter, sitzt mit verzweiflungsvoller Geste an einem Tisch, umgeben von zahlreichen Attributen geistig-schöpferischen Tuns. Seine Kinder, auch Hund und Katze zu seinen Füßen, suchen klagend nach einem Bissen Nahrung in dem dürftig ausgestatteten, hohen Raum. Das vordergründige Bild des Jammers erhält einen verschlüsselten Hintersinn durch die Statuette des nackten Knäbleins auf dem Tisch: Flügel an den Gelenken des linken Armes und Beines ziehen ihn empor, in der rechten Hand jedoch hält die Statuette ein schweres Gewicht. Dieses emblematische Sinnbild - den Gebildeten der Zeit wohlbekannt - besagt, daß der schöpferische Geist sich nicht in ätherische Höhen zu erheben vermag, wenn ihn Armut und irdische Nöte an den Erdboden fesseln.
Da die Melancholie Elsheimers und seine Armut in Rom überliefert sind - er mußte zeitweise sogar im Schuld-turm sitzen - liegt es nahe, bei dem Blatt auch einen autobiographischen Bezug zu vermuten. Fraglos ist die inhaltlich ausgeklügelte, doch temperamentvoll hingeworfene Skizze ein faszinierendes Dokument für die Situation des „Künstlers in der Fremde".
Tilman Falk
Abbildung: Adam Elsheimer (1578 - 1610), Der in Armut verzweifelnde Künstler nach 1599, Federzeichnung in Braun; 18,2 x 19,5 cm , © Staatliche Graphische Sammlung München