Adolph von Menzels „Lesende Dame“ findet ihren Weg in das Theodor-Fontane-Archiv
Theodor-Fontane-Archiv der Universität Potsdam
Bei der „Lesenden Dame“ handelt es sich um eine postkartengroße Darstellung in Aquarell und Gouache über einer Bleistiftvorzeichnung auf leicht getöntem Velinpapier durch Adolph von Menzel. Dargestellt ist eine Dame auf einem Dampfer sitzend, vornübergebeugt, die sich mit einem aufgespannten Schirm gegen den Wind schützt. Auf dem Schoß hält sie ein aufgeschlagenes Buch, in dessen Lektüre sie vertieft ist. Die mit dem Schirm und durch die Körperhaltung beschützte, konzentrierte Lektüresituation bildet den Hauptfokus für den Betrachtenden, der hier neben der intimen Situations- auch einen feinteilige Personenschilderung erhält.
Die Größe der Gouache beträgt nur 11,2 x 7,3 cm. Es handelt sich um eine für das Festhalten des Momentanen und Situationsspezifischen, des Bewegten und Vorübergehenden sehr menzelspezifische Ausführung. Der Faltenwurf des Rocks, die vom Wind bewegten Fransen des Umschlagtuchs und der durch den Luftzug heruntergedrückte Schirm, machen die Szene besonders plastisch und lebendig. Der Reiz besteht in der genauen Wiedergabe auf kleinstem Raum.
Der Künstler hat das Blatt im linken unteren Drittel mit „Menzel“ signiert. Die Widmung an Emilie Fontane, Theodor Fontanes zu diesem Zeitpunkt 52jährige Ehefrau, auf der Rückseite des Blattes lässt die Möglichkeit zu, dass es sich bei der Dargestellten tatsächlich auch um Emilie Fontane handelt. Ganz eindeutig ist diese Zuschreibung nicht. Die Widmung, mit Eisengallustinte und Feder ausgeführt, lautet: „Möge, Verehrte Frau, / Ihre Enttäuschung beim Anblick des Umseitigen / nicht so groß sein[,] um Ihnen / zur Warnung zu werden, / Jemals wieder bei jeweili-/ ger Gelegenheit mit / Jemandem / ein Vihlipbchen [gemeint ist: Vielliebchen] zu essen. / B[erlin] 16. März 1872.“ Diese Widmung lässt zumindest auf die enge Vertrautheit zwischen Menzel und Emilie Fontane schließen, ist er ihr doch bei einer zwischen den beiden eingegangen und von ihm verlorenen Wette ein Vielliebchengeschenk schuldig geworden; eine Schuld, die er mit der Übergabe des Bildnisses der lesenden Dame und der zughörigen Widmung begleicht
Anna Busch
Abbildung:
1 Vorderseite: Adolph von Menzel „Lesende Dame“, (vor) 1872. Aquarell und Gouache auf dünnem Karton. 11,2 x 7,3 cm
2 Rückseite: eigenhändige Widmung von Adolph von Menzel an Emilie Fontane, 16. März 1872.
Fotonachweis: © Theodor-Fontane-Archiv der Universität Potsdam