Ägyptischer Statuentorso
Staatliche Sammlung Ägyptischer Kunst, München
Zweieinhalb Jahrtausende künstlerischer Tradition und Erfahrung finden sich in dem Basalttorso einer überlebensgroßen männlichen Statue ihren keineswegs altersschweren, sondern jugendlich straffen, lebensvollen Ausdruck. Im Rahmen eines strengen Regelwerks, für das der Rückenpfeiler steht, entfaltet sich eine dynamische Körperlichkeit, eine an die Oberfläche drängende Plastizität, eine Bereitschaft zur Bewegung, die trotz des Fehlens der Beine einen weit ausholenden Schritt erahnen lässt. Der Typus der altägyptischen Stand-Schreitfigur, „gehend im Stehend und stehend im Gehen“, wie es Thomas Mann trefflich formulierte (vgl. Joseph in Ägypten, Kapitel „Haus des Gewickelten“), hat dem griechischem Kuros als Vorbild gedient, dem er trotz seiner Geschichtsträchtigkeit in ungebrochener Frische gegenübersteht, ein jung gebliebener Urahn der noch jungen griechischen Kunst.
Im Hieroglyphentext des Rückenpfeilers ist zwar der Herkunftsort der Statue, Hermopolis im Nildelta, genannt, und die Zeichenformen erlauben (ebenso wie die kräftige Modellierung des Torsos) eine Datierung der Statue um 400 v. Chr., Name und biographische Daten des Dargestellten sind jedoch mit dem unteren Teil der Statue verloren gegangen.
Sylvia Schoske
Statuentorso
Tell Baklia, Hermopolis Parva / Nildelta, Ägypten
Spätzeit, um 400 v. Chr.
Granit, 130 cm hoch
Staatliche Sammlung Ägyptischer Kunst, München