Angelika Kauffmann, Cornelia, die Mutter der Gracchen, 1758
Kunstsammlungen zu Weimar
Johann Wolfgang v. Goethe hatte auf seiner Italienischen Reise in Rom einen vertrauten, freundschaftlichen Umgang mit Angelika Kauffmann; nicht zuletzt das Bildnis, das die Malerin von dem Dichter schuf, ist ein Denkmal dieses intensiven persönlichen Austausches. Goethe setzte sich auch mit der Historienmalerei der Kauffmann auseinander. Für den 28. August 1787, seinen Geburtstag, vermerkte er: „Angelica mahlt jetzt ein Bild, das sehr glücken wird: die Mutter der Gracchen, wie sie einer Freundin, welche ihre Juwelen auskramte, ihre Kinder als die besten Schätze zeigte. Es ist eine natürliche und sehr glückliche Composition.”
Die Episode aus der römischen Geschichte wurde von Valerius Maximus überliefert. Sie wurde vor allem durch Charles Rollins Histoire romaine (1739-1742) im 18. Jahrhundert verbreitet. Gab es „Cornelia“-Darstellungen zwar auch im 17. Jahrhundert, so erfreute sich dieses Sujet im ausgehenden 18. Jahrhundert einer besonderen Beliebtheit. Die moralisierende Gegenüberstellung von Freude an Luxus und Tand und dem Stolz auf wohlgeratene Kinder entsprach philosophischen Strömungen der Zeit: tugendhafte Kinder sind künftige Garanten des Gemeinwohls. Die persönliche Bescheidenheit und das Verantwortungsgefühl der Römerin Cornelia wurden so Vorbild. Eine deutliche historische Komponente liegt bei diesem „exemplum virtutis“ nicht zuletzt darin, dass beide Söhne der Cornelia, Gaius und Tiberius Gracchus, später eine von strengen Prinzipien geleitete politische Rolle spielten.
Das nachhaltige Interesse an der Thematik spiegeln die drei Gemäldefassungen der „Cornelia“ wider. Die erste Fassung von 1785 befindet sich heute im Virginia Museum of Fine Arts, Richmond. Fast unmittelbar später entstand in Neapel im Auftrag der Königin beider Sizilien Caroline - Gemahlin König Ferdinands IV., Tochter von Kaiser Franz I. und Maria Theresia - das 1994 erworbene Gemälde. Johann Wolfgang v. Goethe sah vermutlich die dritte, 1788 vollendete Fassung, die im Auftrag des polnischen Fürsten Poniatowski entstand.
Als thematisches Gegenstück malte Angelika Kauffmann „Julia, die Gemahlin des Pompeius“ fällt in Ohnmacht. Das Werk befindet sich gleichfalls in den Kunstsammlungen zu Weimar.
Hermann Mildenberger
Abbildung: