Anthropomorphes Votivblech
Archäologische Staatssammlung, München
Dargestellt ist eine Frau in äußerster Stilisierung. Innerhalb des fast kreisförmigen Kopfes sind in Treibtechnik nur die Augen, die Brauen und die Nase wiedergegeben, eine eingeritzte Linie steht für den Mund. Auf dem rechteckigen Körper, in dessen Kontur die Arme lediglich als Stummel angedeutet sind, markieren Kreisbuckel die Brüste und den Nabel; zwei in spitzem Winkel angeordnete Linien mit leicht profilierten unteren Enden bezeichnen die Beine und Füße. Den Umriß von Kopf und Körper begleiten Buckelreihen bzw. auf den Schultern Zickzacklinien. Zu beiden Seiten des Kopfes waren in je zwei kleinen Löchern Ohrringe aus Bronzedraht eingehängt, von denen noch drei erhalten sind.
Das imposante Figurenblech gehört in die große Gruppe von Votiven der urartäischen Kultur aus der Zeit von 1000 v. Chr. bis 500 v. Chr. Diese umfaßt neben meist rechteckigen oder quadratischen Bronzeblechtäfelchen mit naturalistisch gehaltenen Götter- und Menschendarstellungen auch scherenschnittartig gearbeitete Figuren in Menschengestalt. Letztere weisen eine äußerst spärliche Binnenzeichnung, vorwiegend aus getriebenen Buckeln und Linien, auf. Selten erreichen diese Figuren eine Größe von mehr als 10 cm.
Schon die bemerkenswerte Höhe der beschriebenen Bronzetafel deutet auf eine besonders kostbare Weihgabe hin; vergleichbare Stücke sind nicht belegt. Zweifellos handelt es sich hier nicht um das Abbild des Weihenden, sondern um eine Göttin, unter deren Schutz sich der Stifter mit seinem Anliegen stellte. Vielleicht ist in diesem Votivblech sogar das Kultbild eines Heiligtums zu sehen.
Hermann Dannheimer
Abbildung: Anthropomorphes Votivblech, Transkaukasien, 8./7. Jahrhundert v. Chr. Bronze; H. 49 cm
Fotonachweis: ©Archäologische Staatssammlung, München, Foto: M. Eberlein