"Apokalypse" - Pergamentblätter aus einer gotischen Bilderhandschrift

Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Das großformatige Pergamentblatt gehört zu einer fragmentarisch überlieferten gotischen Bilderhandschrift der Apokalypse, von der sich fünf weitere Blätter in der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg befinden. Eine sehr eng verwandte Handschrift aus dem Erfurter Peterskloster in der Landesbibliothek Weimar zeigt, dass die Apokalypse ursprünglich auf zwölf Blättern angelegt war. Sie zählt zu den bedeutendsten Zeugnissen frühgotischer Buchmalerei in Deutschland.

Text und Bild stehen in einem eigenartigen Verhältnis zueinander. Da die bildliche Darstellung eindeutig dominiert, kann kaum von Textillustration die Rede sein. Die kurzen Zitate aus der Offenbarung Johannis und die knappen theologischen Kommentare dienen vielmehr der Bilderläuterung. Großflächig und dekorativ sind die Figuren über das Blatt verteilt. Sie sind mit der Feder in einfachen Umrissen angelegt und sparsam lasierend koloriert. In der großartigen Einfachheit und Einprägsamkeit ähnelt der Bildaufbau den didaktischen Handschriften der Biblia pauperum. Die schönlinige Bewegung der Gewandsäume und Locken, die Transparenz und Körperlosigkeit der Figuren gehören einem Stil an, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Frankreich und Westdeutschland aus Verbreitung fand. Stilistisch unmittelbar vergleichbar sind Werke der Buch- und Tafelmalerei aus dem kurmainzerischen Territorien Fritzlar und Erfurt aus der Zeit um 1330.

Rainer Schoch

Abbildung: © Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Pergamentblätter aus einer gotischen Bilderhandschrift „Apokalypse“
Das apokalyptische Weib vom siebenköpfigen Drachen bedroht (verso)
Die Eröffnung des siebenten Siegels; Christus auf dem brennenden Altar (recto)
Nordhessen / Thüringen, um 1330
Feder, schwarze Tinte, Wasser- und Deckfarben auf Pergament;
42,5 x 31,7 cm
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg