Archaische Gliederfigur eines Kriegers
Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek, München
Darstellungen von Kriegern sind auf griechischen Vasen fast die Regel. Meist sind es die Helden der homerischen Epen, die bei ihrer Rüstung, beim Aufbruch, im Zweikampf oder auch im Schlachtgetümmel gezeigt werden. Diese Bilder waren außerordentlich beliebt, denn Kampf und Krieg gehörten zum Hauptgeschäft der frühen Adelsgesellschaft. Wie aus den Bildern herausgetreten erscheinen die kleinen Kriegerfiguren, die rundplastisch aus kostbarer Bronze geschaffen wurden. Als Votive gelangten sie in die Schatzhäuser der großen Heiligtümer.
Dieser Krieger bietet allerdings etwas Besonderes, Einzigartiges. An seinem Helm mit dem hohen Busch und an dem glockenförmigen Panzer, der seinen Oberköper schützt, ist er als Krieger zu erkennen. Am linken Arm trug er einst einen Schild, in der rechten Hand hielt er wohl ein offenes Schwer. Aber er ist ein merkwürdiges Gebilde, denn er wurde aus einzelnen Teilen zusammengefügt: Sein Rumpf wurde ohne Kopf, Arme und Beine in Wachs modelliert und wie die anderen Körperteile auch einzeln in Bronze gegossen. Die Unterschenkel gingen in Kniehöhe in Scharnierflügel über und waren in die Stümpfe der Oberschenkel eingehängt. Auch die Arme sind durchbohrt und waren beweglich, mit Drahtstiften an den Schultern, angebracht, der Kopf war mitsamt dem freihängenden Nackenschopf getrennt gearbeitet, aber fest auf den Schultern eingestiftet – eine Gliederfigur, mit der man offenbar hantieren sollte! Ein Spielzeug also, ein wirkliches oder ein magisch-rituelles?
Vergleichbares kannte man bisher nur aus Ton: Freundliche Wesen von Mädchen und Frauen, die als Gliederpuppen in Korinth und Attika in die Gräber der Frühverstorbenen gelangt sind und gelegentlich auch in Kinderhänden auf Grabreliefs erscheinen.
Die kunstlandschaftliche Herkunft der archaischen Gliederfigur bleibt noch zu erforschen, während ihre Entstehung um 450 v. Chr. sicher scheint.
Klaus Vierneisel
Abbildung:
Archaische Gliederfigur eines Kriegers
Um 540 v. Chr. Bronze, 6,5cm hoch
Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München
Foto: Renate Kühling