Atelierszene (Marie Gabrielle Capet)

Neue Pinakothek München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

 

Marie Gabrielle Capet hat in einem schmucklosen, hohen Zimmer fünfzehn Personen dargestellt, von denen einige zu den namenhaftesten Künstlern Frankreichs der Zeit um 1800 gehören. In der Tradition der holländischen Gruppenbildnisse ist hier durch die zwanglos miteinander kommunizierenden, elegant modisch gekleideten Menschen größter Wert auf die Individualität des Einzelnen gelegt, indem die Verhaltensweisen jeder einzelnen Person sehr natürlich und gelöst erscheinen. Entsprechend dieser äußerst geschickten, zugleich zusammenfassenden Kompositionsweise gleitet der Blick des Betrachters ungehindert in die Runde.

Das im Salon der Académie de France 1808 ausgestellte Atelierbild erregte Aufsehen und ist in dem Ausstellungskatalog genau beschrieben; danach sind die hier versammelten Personen als Schüler des damals hochberühmten Francois André Vincent (1746-1816) identifiziert, der seiner Gemahlin, Adélaide Labille-Guiard, beim Malen interessiert zuschaut. Sie war ebenfalls seine Schülerin. Die Malerin ist mit dem Porträtieren des hochbetagten Historienmalers de Ancien Regime Joseph-Marie Vien (1716-1809), einst Lehrer von Vincent, beschäftigt. Besonders elegant gekleidet, ist er in jeder Weise als Hauptperson kenntlich.

Anders als die auch wegen ihrer Pastelbildnisse von hochrangigen Mitgliedern des Hofes als Rivalin der Madame Vigèe-Lebrung gefeierten Adélaide Labille-Guiard, blieb ihre Schülerin, Marie Gabrielle Capet – als Miniaturistin zwar sehr gesucht – mehr im Hintergrund der Kunstszene. Capet stellte sich selbst vorne links dar, aus dem Bild herausgewandt, ihr Malwerkzeug in den Händen.

Das laut der Monographie von Graf Arnauld Doria einzig bekannte Ölgemälde von Marie Gabrielle Capet entstand als Hommage an ihre Lehrerin Labille-Guiard, die bereits acht Jahre vor der Entstehung dieses so einfühlsam wie brilliant gemalten „Freundschaftsbildes“ gestorben war. Eine ähnliche Atelierszene hat L.L. Boilly 1798 mit seinem Gemälde „Réunion d’artistes dans l’atelier d’Isabey“ vorgegeben. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Sujet verschiedentlich aufgergriffen bis hin zu Henry Fantin-Latours „L’Atelier aux Batignolles“ oder Maurice Denis‘ „Hommage à Cézanne“ (1900).

Christoph Heilmann

Abbildung: ©Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München

Marie Gabrielle Capet (1761-1818)
Atelierszene, 1808
Öl / Leinwand, 69 x 86cm
Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München