Bauhaus-Maler Oskar Schlemmer
Bauhaus-Museum für Gestaltung, Berlin
Neun Jahre prägte Oskar Schlemmer (1888–1943) die Lehre und das Erscheinungsbild des Bauhaus. Von Gropius schon 1921 berufen, unterrichtete Schlemmer Wandbildmalerei, verschiedene Zeichenkurse, Bühnentheorie und leitete später die Bauhaus-Bühne als eigenständige Abteilung. Daneben entstanden bedeutende Theaterarbeiten sowie zahlreiche graphische und malerische Werke, mit denen er seinen Ruf als führender Avantgarde-Künstler auch außerhalb Deutschlands festigte. Umfangreiche Unterrichtsverpflichtungen sowie der Weggang Gropius’ vom Bauhaus bewogen Schlemmer 1929, eine Professur an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau anzunehmen.
Hier entstand 1932 das kleinformatige, auf weiß grundierter grober Leinwand ausgeführte und vorwiegend in orangebraunen Tönen gehaltene Gemälde Rote Gruppe – Kleinbild IV, das auf vier Figuren fokussiert, die sich auf einer Treppe in die Tiefe reihen. Es gehört zu einer Gruppe von fünf weiteren Ölbildern, die sich durch ihre Nahsichtigkeit und Ausschnitthaftigkeit motivisch verbinden und der Fragenstellung nach Figurentypen im Raum nachgehen. Schon am Bauhaus hatte Schlemmer diese entindividualisierten Menschenformen entwickelt, die für ihn Sinnbilder des modernen Menschen darstellten. Das Motiv der Treppe war besonders geeignet, in immer wieder neuen Staffelungen und Anordnungen verschiedener Figurenkonstellationen die Struktur unterschiedlich konstruierter Räume und das Verhältnis von Raum und Fläche zu erforschen. Insbesondere der Anschnitt von einzelnen Figuren erlaubte ihm, ein Spiel mit dem Raum zu erzeugen und ihn über das Bild hinaus weiterzudenken.
So erfolgreich Schlemmer war, so wurde ihm gleichzeitig in jenen Jahren bewusst, wie sehr seine Kunst politischen Anfeindungen ausgesetzt war. Mit der Übermalung seiner Wandgestaltung im Weimarer Werkstattgebäude des Bauhaus auf Betreiben des thüringischen Staatsministers für Inneres und Volksbildung Wilhelm Frick 1930 war er erstmals direkt ins Visier der Behörden geraten. Seine Tagebucheintragungen dieser Jahre zeigen, wie klar er diese politischen Umstürze vor Augen hatte. So wird das Gemälde auch zu einem Zeugnis dieses letzten Jahres vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, in dem Schlemmer die freie Kunstausübung und die Möglichkeit, seine Werke im In- und Ausland zu präsentieren, noch gegeben war, bevor er 1933 gezwungen wurde, sich als Maler völlig aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.
Das kleinformatige Gemälde aus der Breslauer Schaffensperiode ergänzt den Bestand des Bauhaus-Archivs Berlin an Werken Schlemmers – darunter neben Plastiken, graphischen Arbeiten, Photographien und Dokumenten seiner Bühnenarbeiten vor allem die maßstabsgetreue Kohlewerkzeichnung der Bauhaus- Treppe – vortrefflich.
Dr. Astrid Bähr
Abbildung: Oskar Schlemmer, Rote Gruppe – Kleinbild IV, 1932, Öl über Bleistift auf Leinwand, auf Pappe aufgezogen, 24,9 cm x 20 cm