Becherglas von Gottfried Spiller

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloss Charlottenburg

Dieses bisher unbekannte und einzige von Gottfried Spiller signierte Potsdamer Glas steht als Typus mit seiner leicht konischen Becherform in einer größeren Reihe von hochwertigen Potsdamer dickwandigen Deckelbechern, die Spiller zugeschrieben werden. Sehr charakteristisch für viele dieser Becher sind umlaufende figürliche Szenen auf einem baumbestandenen Terrainsockel in extremem Tiefschnitt.

Bei diesem Glas mit einer panoramaartigen Abfolge der Vier Jahreszeiten brilliert Spiller durch seine überlängten, sehr manieristischen allegorischen Gestalten sowie durch die Vielfalt und Akkuratesse der botanischen Details. Den sehr ausgeprägten Tiefschnitt, der bis zu Dreiviertel der Wandungstiefe erreicht, beherrschte Spiller wie kein anderer der damaligen Glaskünstler. Eindrucksvoll demonstriert er alle Finessen an dem damals aufkommenden steinartigen Glasmaterial, dessen lebhafte Interpretation beim Drehen des Glases unter wechselnden Lichtverhältnissen voll zur Wirkung kommt. Erst hierbei wird die besondere Meisterschaft der Komposition mit den ineinander gefügten Szenen ersichtlich, die mit der in Durchsicht erscheinenden Darstellung auf der gegenüberliegenden Wandung korrespondieren. Die Vorliebe Spillers für schweres dickwandiges Material resultiert aus seiner Erfahrung mit Bergkristall und Topas. Gottfried Spiller war mit seinem Meister Martin Winter aus der renommierten Glashütte des Grafen Christoph Leopold Schaffgotsch auf Burg Kynast, Schlesien, 1680 nach Berlin gekommen, wo die Kurfürstliche Glasschleiferei unweit des Berliner Schlosses angesiedelt war. Nach Winters Tod 1702 übernahm Spiller die Leitung der nunmehr Königlichen Glasschleiferei, die ihr Rohglas aus der von Johann Kunckel eingerichteten Kristallglashütte bei Potsdam erhielt. Hauptauftraggeber war der Landesherr. König Friedrich I. ließ im Schloss Charlottenburg eine eigene Glassammlung anlegen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte unter Friedrich Wilhelm IV. diese Tradition in Charlottenburg wieder auf. Seine Sammlung gelangte später in das Hohenzollernmuseum, wo sie 1945 untergegangen ist. Aus diesem Grund wurde im Schloss Charlottenburg seit 1969 wieder mit dem Aufbau einer Sammlung brandenburgischer Gläser auf hohem Niveau begonnen, zu der nun auch diese Inkunabel des deutschen Barockglases gehört.

Winfried Baer

Abbildung:

Schweres Becherglas mit Darstellung der Vier Jahreszeiten, Gottfried Spiller, Kurfürstliche Kristallglashütte Potsdam, Ende 17. Jahrhundert
©Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloss Charlottenburg