Bildnis der Frau des Künstlers (Oskar Zwintscher)
Städtische Galerie im Lenbachhaus, München
Zwintscher empfing den ersten prägenden künstlerischen Eindruck durch Max Klingers Monumentalgemälde „Das Parisurteil“, das 1887 im Leipziger Kunstverein ausgestellt war. Die hier anzutreffende Verbindung von „Verismus“ und Stilisierung wird für seine eigenen Bilder vorbildlich. Die zweite entscheidende Erfahrung war die Bekanntschaft mit dem Werk Arnold Böcklins und Anselm Feuerbachs bei einem München-Aufenthalt in den Jahren 1895/1896. In dieser Zeit war Zwintscher als Karikaturist für die Meggendorfer Blätter tätig. Anschließend lebte und arbeitete er in Dresden und Meißen.
Das Bildnis seiner Frau Adele entstand im Jahre 1901, drei Jahre nach der Heirat. Sie war seit der Verlobung 1897 häufiges Modell Zwintschers. So findet sich Adeles ganzfiguriges Porträt von 1902 in der Dresdner Gemäldegalerie, das „Bildnis in Blumen“ von 1904 in der Nationalgalerie Berlin.
In dem Bildnis von 1901 werden mit Hilfe des Spiegels ganz unrealistisch Seiten- und Frontalansicht im rechten Winkel einander gegenübergestellt. Das Konstruierte einer solchen Komposition wird durch die Reduktion der Farbskala auf Braun, dunkles Violett und Inkarnat betont. Der Flächigkeit, die sich aus den bewusst zusammengestellten Ansichten ergibt, steht der lebensvolle Ausdruck der Augen und die Stofflichkeit vor allem des Haares gegenüber. Das Bild hat einen melancholisch-symbolischen Reiz, der auf dem Spiel mit dem alten Vanitas-Symbol des Spiegels beruht. Indem die Person sich selbst gegenübersteht, wird ihre unverletzlich scheinende Seitenansicht mit dem perfekten Kontur durch ein anderes Bildnis derselben Person in Frage gestellt, das der Zeit unterworfen scheint und damit die Vergänglichkeit des Lebendigen ausdrückt.
Der Jugendstil wird in München vor allem durch Franz von Stucks körperbetonte Kunst repräsentiert. Zwintscher legt in dem Gemälde seiner Frau wie Stuck Wert auf einen melodischen Kontur bei vorwiegender Flächigkeit der Komposition. Doch gilt sein Interesse nicht nur der gesellschaftlichen Oberfläche, sondern ebenso der Psyche der Person. In dem Bildnis seiner Frau wird über die Charakterisierung dieser bestimmten Person hinaus die Seele zum Ausdruck der Gefährdung der perfekten Außenseite wie der körperlichen Vollkommenheit überhaupt.
Barbara Eschenburg
Abbildung: ©Städtische Galerie im Lenbachhaus, München
Oskar Zwintscher (1870-1916)
Bildnis der Frau des Künstlers, 1901
Öl/Malpappe, 43 x 43cm,
Städtische Galerie im Lenbachhaus, München