Burse von Enger, 2. Hälfte 8. Jahrhundert
Kunstgewerbemuseum, Berlin. Diözesanmuseum, Paderborn
Das Reliquiar in Gestalt einer Tasche (lat.: bursa) aus dem Schatz des ehemaligen St. Dionysius-Stifts in Enger bei Herford zählt zu den bedeutendsten Werken der Goldschmiedekunst, die sich aus dem frühen Mittelalter erhalten haben. Es soll sich hierbei einer unbelegten Überlieferung zufolge um ein Geschenk Karls des Großen an den von ihm besiegten sächsischen Herzog Widukind zu dessen Taufe im Jahr 785 gehandelt haben. Nach der Säkularisation des westfälischen Stifts ging der Kirchenschatz in den Besitz des Preußischen Staats über und gelangte 1885 an das Kunstgewerbemuseum in Berlin, wo es ein Kernstück der mittelalterlichen Sammlung bildet.
Die Burse ist auf ihrer Schauseite nicht nur flächendeckend mit Zellwerk und frühem Émail cloisonné geschmückt, sondern zusätzlich mit solitär gefassten Edelsteinen, unter denen sich vier antike Gemmen identifizieren lassen. Rück- und Schmalseiten zeigen getriebene Halbfigurenreliefs, die u.a. Christus zwischen Engeln und Maria mit den Aposteln Petrus und Paulus darstellen, während ein gegossener First mit fünf liegenden Löwen das Objekt bekrönt.
Eine zeitgemäße konservatorische Behandlung zur dauerhaften Sicherung des Bestandes erwies sich angesichts der großen Fragilität der Arbeit als dringend geboten. Aber auch eine naturwissenschaftlich-materialanalytische und tiefergehende werkgeschichtliche sowie kunsthistorische Untersuchung waren seit Langem Desiderate der Forschung. Im Zuge des Kooperationsprojektes soll etwa Fragen nach der viel diskutierten Herkunft (der Techniken) oder der tatsächlichen Entstehungszeit des Reliquiars bzw. konkreten Bezügen zu möglichen Vergleichsobjekten nachgegangen werden.
Für eine detaillierte optische Befundung der Burse, ihres Zustands und Aufbaus, wurde sie zunächst umfassend mittels digitaler 3D-Mikroskopie aufgenommen. Sodann konnten ebenfalls dank der Förderung Messungen mit Hilfe portabler, zerstörungsfreier Analyseverfahren wie (Mikro-)Röntgenfluoreszenzanalyse und Raman-Spektroskopie an den Metallen, Glasschmelzen und -einlagen sowie Edelsteinen durchgeführt werden. Diese lieferten aufschlussreiche Ergebnisse zur Zusammensetzung, Provenienz und Herstellungsweise, die im Verlauf des Forschungsvorhabens weiter auszuwerten bzw. einzuordnen sind und im Anschluss zusammenfassend publiziert werden sollen.
Karin Wermert, M.A.
Die Burse von Enger wird als Highlight der Ausstellung "Corvey und das Erbe der Antike. Kaiser, Klöster und Kulturtransfer im Mittelalter" vom 21. September 2024 bis zum 26. Januar 2025 im Diözesanmuseum in Paderborn zu sehen sein.
Abbildungen: Burse aus dem Kirchenschatz von Enger, fränkisches Reich, Ende 8. Jahrhundert
Abb. 1: Vorderseite vor der Restaurierung
Abb. 2: Rückseite vor der Restaurierung
Abb. 3: Detail Email Vogel
Abb. 4: Detail Vorderseite
© Staatliche Museen zu Berlin - Kunstgewerbemuseum, Fotograf: Uwe Schlüter FOTOdesign