Carl Rottmann, Aphaiatempel von Aigina, um 1845

Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München

Die Strahlen der untergehenden Sonne erleuchten die auf einer Bergkuppe liegende Ruine des Aphaiatempels, hinter dem bereits der Vollmond aufsteigt. In rötliches Licht getaucht ist die vegetationslose, fast öde Landschaft. Nur der Vordergrund, der schon im Schatten liegt, wird durch kargen Baum- und Strauchbewuchs belebt, der einem Reh Schutz bietet. In der Ferne sieht man die hügelige Küste Attikas. Auf dem Meer leuchtet das weiße Segel eines Bootes.

Das Bild ist entstanden im Rahmen eines großen Zyklus von Griechenlandbildern, die Rottmann im Auftrag König Ludwigs I. geschaffen hat. Dafür reiste er 1834/5 durch Griechenland und fertigte zahlreiche Landschaftsskizzen. Neben berühmten Orten, wie Delphi, Korinth, Sparta oder der Ebene von Marathon, wählte er auch Aigina, da Ludwig 1812 die Giebelskulpturen des Aphaiatempels erworben hatte, die seitdem den wertvollsten Schatz der Glyptothek bilden. Ursprünglich plante man einen Zyklus, der 38 großformatige, in enkaustischer Technik gemalte Gemälde umfassen und in den Arkaden des Hofgartens angebracht werden sollte. Schließlich wurde für ihn ein Raum der Neuen Pinakothek bestimmt und die Zahl der Bilder auf 23 reduziert. Zu diesen großformatig ausgeführten Bildern gehört auch das Gemälde vom Aphaiatempel. Rottmann hat im Zuge dieses Auftrags, der ihn bis zu seinem Lebensende beschäftigte, gleichzeitig auch kleinere Fassungen des gleichen Themas gemalt. Von den ursprünglich drei kleinformatigen Wiederholungen des Originalbilds sind nur noch zwei erhalten: Neben diesem aus der Sammlung Georg Schäfer ist es ein sehr ähnliches Bild im Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt. Das Bild vom Aphaiatempel strahlt eine elegische Stimmung aus. In den leuchtenden Säulen des Tempels beschwört Rottmann den untergegangenen Glanz der antiken Welt. Diese Intention des Malers kommt in der Glyptothek, wo nun das Bild in einem der Aiginetensäle hängt, besonders gut zur Geltung.

Raimund Wünsche

Abbildung:

Carl Rottmann, Aphaiatempel von Aigina, um 1845
©Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München