Charles Rennie Mackintosh, Hochschrank aus einem Speisezimmer des Verlegers Hugo Bruckmann 1898
Pinakothek der Moderne, München
Die international herausragende Rolle, die München als Keimzelle der modernen angewandten Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielte, belegt ein Möbel, das Charles Rennie Mackintosh 1898 im Rahmen einer Speisezimmer-Ausstattung für den Verleger Hugo Bruckmann entwarf. Es war der Weitsicht Bruckmanns zu verdanken, dass Mackintosh zu diesem frühen Zeitpunkt – im gleichen Jahr wurde auch der Grundstein zu seinem architektonischen Hauptwerk, der Glasgow School of Art, gelegt – als noch relativ unbekannter Architekt und Entwerfer seinen ersten Auftrag außerhalb Schottlands nicht in London oder Paris, sondern in München ausführen konnte. Bruckmann verhalf damit dem später als „Wegbereiter moderner Formgebung“ gefeierten Entwerfer zum internationalen Durchbruch.
Der Kontakt zwischen Hugo Bruckmann und Charles Rennie Mackintosh kam durch einen von Bruckmann für November 1898 geplanten Artikel in der „Dekorativen Kunst“ zustande. 1899 wurde in diesem Periodikum auch die Speisezimmer-Ausstattung von Mackintosh erstmals publiziert. Das Glanzstück des Zimmers, den Schrank, stellte man noch im gleichen Jahr im Münchner Glaspalast aus.
Von der Ausstattung des Speisezimmers blieb einzig und allein der Hochschrank erhalten. Die anderen der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelösten Möbel wurden bei einem Bombenangriff größtenteils zerstört.
Der von Mackintosh geschaffene Typus des hohen, sekretärartigen Schrankes lässt sich in seinem Œuvre erstmals mit dem Münchner Auftrag belegen. Mit seiner reduzierten Formgebung, seinem Verzicht auf geschnitzten Dekor und den stilisierten Treibarbeiten der Türfüllungen steht der Münchner Schrank am Beginn der Entwicklung des modernen Möbels.
Prof. Dr. Florian Hufnagl
Abbildung: