Charles Vigne, Tapisserie: Der gestohlene Kuss (nach Pater) 1740

Schloss Charlottenburg, Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Bei diesem hervorragend erhaltenen Wandteppich handelt es sich um ein Erzeugnis der Berliner Manufaktur von Charles Vigne, der als „Hoftapissier“ in der Nachfolge von Pierre Mercier und Jean Barraband ab ca. 1720 zu den bedeutendsten Künstlern am preußischen Hof zählte. Der Gobelin gehört zu der Serie, die sich im Schloss Charlottenburg im Erdgeschoss des Alten Schlosses in der Ersten und Zweiten Hautelisse-Kammer (R. 103 und 102) befindet. Während die drei Tapisserien der Zweiten Hautelisse-Kammer seit dem 18. Jahrhundert konstant dort nachgewiesen sind, gab es bei den Stücken der Ersten Hautelisse-Kammer häufige Umhängungen. Für den heutigen Zustand hat dies zur Folge, dass eines der drei dort aufgehängten Stücke nicht zur ursprünglichen Ausstattung gehört, sondern im frühen 20. Jahrhundert angekauft wurde, und eine weitere Tapisserie zu groß ist für ihre Wandfläche und daher an zwei Stellen eingenäht präsentiert ist.

„Der gestohlene Kuss“ ist aufgrund seiner Bordüre als Teil der Serie zu erkennen, außerdem passt sie in der Breite genau in das Wandfeld, das jetzt von der umgenähten Tapisserie besetzt wird. Nach der restauratorischen Bearbeitung kann sie dort ihren Platz finden, und der eingenähte Teppich kann wieder in gesamter Breite auf der gegenüberliegenden Wand präsentiert werden. Die Lösung der Nähte und die Rückführung der Tapisserie auf ihre ursprüngliche Breite ist konservatorisch höchst wünschenswert.

Auf welchem Wege „Der gestohlene Kuss“ in den Kunsthandel gekommen ist, ist nicht eindeutig zu klären. Alle Indizien sprechen jedoch dafür, dass es sich um das Stück der Charlottenburger Serie handelt, das Wilhelm II. nachweislich mit ins Exil nach Doorn nahm und dort an einen belgischen Kunsthändler verkaufte.

Mit diesem Ankauf bot sich daher die einmalige Chance, die Erste Hautelisse-Kammer dem Zustand des 18. Jahrhunderts wieder anzunähern und zusätzlich die konservatorischen Bedingungen zu optimieren.

Dr. Susanne Evers

Abbildung:

Charles Vigne, Tapisserie: Der gestohlene Kuss (nach Pater) 1740
© Schloss Charlottenburg, Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg