Der entschlossene Reformator, Martin Luther mit Doktorhut, um 1600
Wartburg-Stiftung Eisenach
Das um 1600, vermutlich in der Schweiz entstandene Gemälde „Martin Luther mit Doktorhut“ folgt der berühmten grafischen Vorlage, die Lucas Cranach d. Ä. 1521, unmittelbar vor dem Reichstag zu Worms schuf. Eduard Flechsig wertete dies als „das größte, schönste und charaktervollste gedruckte Bildnis Luthers“, das ihn - idealtypisch aufgefasst im Profil - als einen entschlossenen Reformator zeigt.
Durch keinerlei Rahmung begrenzt strahlt das von Cranach gezeichnete Profilbildnis die geradezu feierliche Hoheit der Invarianz aus, was der Wittenberger Meister ursprünglich noch mit eigenhändiger Widmungsinschrift untermauerte. Zum Zeitpunkt seiner Entstehung erfüllte das Porträt propagandistische Zwecke und fand weite Verbreitung. Auch in den Druckschriften Luthers wurde es immer wieder verwandt und rezipiert, nicht zuletzt, um die Wissenschaftlichkeit und Seriosität des Protestantismus unter Beweis zu stellen. 1579 wiederholte der flämische Zeichner und Kupferstecher Johannes Sadeler Cranachs Vorbild, nun überschrieben dem Bibelvers IN SILENTIO ET SPE ERIT FORTITVDO VESTRA / MARTINVS LVTHERVS (Im Schweigen und Hoffen wird eure Stärke sein, Jes 30,15). Der arabeskengeschmückte Rahmen präsentiert die Unterschrift: ASSERVIT CHRISTVM DIVINA VOCE LVTHERVS / CVLTIBVS OPRESSAM RESTITVITQUE FIDEM / ILLIVS ABSENTIS VVLTVM HAEC DEPINGIT IMAGO / PRAESENTEM MELIVS CERNERE NEMO POTEST. M. D. XXI. (Luther verkündigte Christus mit göttlicher Vollmacht, den vom Kultus bedrückten Glauben hat er erneut. Dies Bild malt die Züge dessen, der fern ist, so deutlich, als wäre er leibhaftig bei uns.)
Da dem gemalten Porträt dieselben, wenngleich hier fehlerhaften Verse beigegeben sind, darf mit einiger Sicherheit vermutet werden, dass Sadelers Stich als Vorlage diente. Die bei Cranach intendierte Momentaufnahme gerät im Kupferstich von 1579 und mehr noch im späteren Gemälde zur historischen Rückschau, behält jedoch ihre an sich zeitlose Aussage, die für die Auseinandersetzung mit Kräften der Gegenreformation sogar noch an Wert gewonnen haben dürfte. Nicht unbedingt dafür, jedoch auch nicht dagegen spricht die Annahme einer schweizerischen Provenienz des Bildes um 1600, die sich von rückseitig aufgeklebten Zetteln herleitet; seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und auf lange Sicht drohten konfessionelle Konflikte die Eidgenossenschaft zu zerreißen.
Die Frage nach dem Kontext der Entstehung des Lutherporträts kann letztlich nicht beantwortet werden, auch weil Rezeptionen in der Malerei weitestgehend unbekannt sind. Der Gedanke, es könne zu einem Zyklus von Reformatorenbildnissen gehören, bleibt zumindest vorerst eine Vermutung.
Für die Kunstsammlung der Wartburg, deren wesentlicher Teil die Geschichte der Reformation dokumentiert und darin zahlreiche Bilder Cranachs und seiner Werkstatt verzeichnet, stellt die bemerkenswerte Tafel eine bedeutende Bereichung dar.