Der Erste Weltkrieg im Spiegel französischer Graphik, um 1920
Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück
1954 stieß ein Galerist und Sammler aus Münster bei befreundeten Künstlern in Paris durch Zufall auf ein Konvolut mit französischen Graphiken aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Er erhielt die Sammlung als Gastgeschenk und brachte sie mit nach Deutschland. Sie umfasst 69 Graphiken von acht französischen Künstlern: Jean Gabriel Domergue (Bordeaux 1889–1962), Henry de Groux (Brüssel 1866–1930 Marseille), René Georges Hermann-Paul (Paris 1874–1940 Ste. Marie-de-la-Mer), Abel Pann (Kreslawka 1883–1963 Jerusalem), Francisque Poulbot (St. Denis 1879–1946 Paris), Théophile Alexandre Steinlen (Lausanne 1859–1923 Paris), Tancrède Synave (Paris 1870–1936), Abel Truchet (Versailles 1857–1918 Auxerre). Für die sonst eher unpolitischen Landschafts- und Salonmaler stand mit dem Ausbruch des „Grande Guerre“ das Thema Krieg auf ihrer Agenda. In künstlerisch niveauvollen Arbeiten zeigen sie ihre Sicht der Dinge. Dabei steht die Situation der Zivilbevölkerung im Mittelpunkt des Interesses. Es ist insbesondere die Karikatur, die sie einsetzen, um den Kriegsgegner Deutschland und seine Verbündeten in propagandistischer Manier als unzivilisierte Aggressoren zu skizzieren (Domergue, Paul, Truchet). Patriotismus (Pann) steht neben rührseliger Propaganda (Synave), verniedlichender Humor (Poulbot) neben dem Versuch, die Grausamkeit des Kriegsalltags zu erfassen (de Groux). Mit 27 Graphiken stammt der Großteil der Arbeiten von Théophile Alexandre Steinlen. Wenngleich er ebenfalls nicht immer ohne propagandistische Anspielungen auskommt, so erweist er sich in seinen Darstellungen des zivilen Alltags im Krieg auch als distanzierter Beobachter. Die 15 Blätter von Abel Truchet zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Künstler jeweils durch eine kleine kolorierte Zeichnung ergänzt hat. Die inhaltliche Aussage wird dadurch pointiert bzw. in eine neue Richtung gelenkt, etwa bei den Vögeln des Todes (L 210-63). Das mit Leichen und Tierkadavern bedeckte Feld wirkt als Kritik am Furor des Krieges. Durch die nachträgliche Ergänzung – eine schwarze Krähe, die auf einer Pickelhaube hockt – kann das Blatt als Ausblick gedeutet werden, dass es am Ende besonders den Kriegsgegner Deutschland treffen wird.
Dr. Thorsten Heese
Abbildung:
Abel Truchet, Vögel des Todes, Lithographie, signiert, Blatt 13/25, 37, 5 cm x 56,6 cm © Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück