Der Reisekünstler Friedrich Nerly d.Ä. (Forschungs- und Bestandserfassungsprojekt)
Angermuseum Erfurt
Bei der Erfurter Nerly-Sammlung mit Ölskizzen bzw. -studien, Papierarbeiten und ausgeführten Atelierbildern (ca. 850 Werke) handelt es sich um den weltweit größten Bestand an Arbeiten des bedeutenden Landschaftsmalers Friedrich Nerly d. Ä. (Erfurt 1807-1878 Venedig). Ihm eignete eine fluktuierende Identität zwischen deutscher Herkunft und italienischer Wahlheimat, zwischen einer Zugehörigkeit zum Kreis der wegweisenden jungen deutschen Pleinairisten in Rom und einer Entwicklung zum arrivierten Veduten- und Landschaftsmaler, der als deutscher Künstler mit einem italianisierten Namen in Venedig lebte und malte und damit in einem der Epizentren der Grand Tour-Reise und des aufkommenden Tourismus. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal, seinem internationalen Netzwerk und mit seinen neuen Bilderfindungen, insbesondere mit seinen berühmten „Nocturnes“ (Abb. 1 u. 2), konnte er eine Käuferschaft in ganz Europa gewinnen. Bald nach seinem Tod 1878 in Venedig gelangte der größte Teil des künstlerischen Nachlasses in seine Heimatstadt und gab den Anstoß für die Museumsgründung in Erfurt im Jahr 1886.
In dem geplanten Forschungs- und Bestandserfassungsprojekt sollen sich mehrere Perspektiven verschränken. Nach fast 150 Jahren kann einem bislang nur teilweise aufgearbeiteten Bestand aus der Zeit der Museumsgründung Rechnung getragen werden. Nachdem weder während der Weimarer Republik noch zur Zeit des Nationalsozialismus eine Aufarbeitung erfolgt war, änderte sich die Situation in der Nachkriegszeit nur bedingt. Die Teilung Deutschlands verlief quer durch das Werk von Nerly d. Ä., dessen zweiter Teilnachlass in den 1950er Jahren durch die Kunsthalle Bremen erworben werden konnte. Überdies liegt die Relevanz des Projektes darin, einen entsprechend seiner Bedeutung keineswegs hinlänglich erforschten Landschaftsmaler in den Blick zu rücken, dessen Leben und Werk von großer Mobilität geprägt waren. Auf seiner Italienreise in jungen Jahren malte er die heute noch besonders geschätzten Ölskizzen und -studien (Abb. 3 u. 4). Als er sich später in Venedig und damit inmitten seines Motivs niederließ, gelangen ihm die berühmten stimmungsvollen Ansichten der Lagunenstadt (Abb. 5). Die große Materialdichte des Nerly-Nachlasses verspricht Erkenntnisse zu den komplexen Arbeitsprozessen von den en plein air entstandenen (Öl)Skizzen bis hin zu den im Atelier gemalten Ausstellungsbildern. In Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern und Restauratoren sowie mit Hilfe interdisziplinärer Fragestellungen und entsprechender Untersuchungsmethoden werden die eingesetzten Malmittel und -techniken zu analysieren sein (Abb. 6).
Abbildungen:
1 Friedrich Nerly d. Ä.
Die Piazzetta bei Mondschein, um 1838
Öl/Lw., 74,8 x 101,8 cm
Foto: Dirk Urban, Erfurt
2 Friedrich Nerly d. Ä.
Die Seufzerbrücke in Venedig bei Mondlicht, 1840er Jahre
Öl/Lw., 98 x 75,4 cm
Foto: Ansgar Hoffmann
3 Friedrich Nerly d. Ä.
Felsen bei Olevano, um 1829
Öl/Papier/Pappe, 29,2 x 48,1 cm
Foto: Dirk Urban, Erfurt
4 Friedrich Nerly d. Ä.
Eiche, Öl/Papier, 40,3 x 54,2 cm
Foto: Ansgar Hoffmann
5 Friedrich Nerly d. Ä.
Abendstimmung in Venedig
Öl/Pappe, 27,6 x 48,1 cm
Foto: Ansgar Hoffmann
6 Projekt-Team Nerly: Dr. Claudia Denk und Thomas von Taschitzki M.A.
Foto: Dirk Urban, Erfurt
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