Edvard Munch, Weib mit rotem Haar und grünen Augen. Die Sünde 1902

Kunstsammlung Chemnitz

Unter den lithographischen Werken Edvard Munchs nimmt die Arbeit „Frau mit rotem Haar und grünen Augen. Die Sünde“ eine herausragende Position ein. Kühn ist das Thema: die Frau in der Rolle der Femme fatale – reale Leiblichkeit und symbolistische Aussage verschmelzend. Großartig und in der Suggestivität wohl nur mit den verschiedenen druckgrafischen Varianten von Munchs Lithografie „Madonna“ (1902) zu vergleichen ist die Formulierung des weiblichen Halbakts. Das bis unter die Taille reichende Haar umflutet das ernste Gesicht. Linie und Fläche interagieren hier auf bemerkenswerte Weise: In den Haaren verdichtet sich das Linienspiel zu malerischer Fülle, in anderen Bereichen, wie beim Nabel und den Brüsten, genügen Kürzel, um die körperlich-räumlichen Gegebenheiten darzustellen. Es sind diese Formspannungen, die mit der Intensität der psychologischen Deutung dem Blatt seine Ausdruckskraft geben. Hinzu kommt, dass die Darstellung annähernd Lebensgröße erreicht, was für eine druckgrafische Arbeit ungewöhnlich ist. Auch technisch stellt das Blatt eine Meisterleistung dar. Die Dreifarbigkeit der Lithografie wird dadurch gewonnen, dass von dem Stein mit der Grundzeichnung eine zweite Platte abgeleitet wurde, von der die Haarpartie sowie einige Stellen im Mund-, Augen- und Brustbereich gedruckt sind. Während die Primärplatte für den auf sehr feinem, bräunlich getöntem Japanpapier erfolgten Druck in einem Ocker-Ton eingefärbt wurde, wählte Munch bei der Sekundärplatte einen Ton der Terrakotta- bzw. Rostrotskala. Das Grün der verhängnisumflort blickenden Augen entsteht nicht durch eine eigene Platte sondern durch die lokale Aufbringung des Pigments auf den Primärstein.

Kerstin Drechsel

Abbildung:

Edvard Munch, Weib mit rotem Haar und grünen Augen. Die Sünde 1902
©Leopold Museum, Wien