Ein bedeutsames Geburtstagsgeschenk für Dresden

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Grünes Gewölbe

Rund drei hundert Jahre verborgen in Privatbesitz und nie publiziert, gehört dieses Prunkschach zu den Meisterwerken barocker Schatzkunst. Während die Brettschatulle in Augsburg geschaffen wurden, können die Figuren dem sächsischen Bildhauer Paul Heermann zugeschrieben werden. Dabei handelt es sich um meisterhaft geschnitzte Miniaturen von größter Individualität, die sich zu einem Ensemble von höchster Suggestionskraft zusammenfügen. Sie stellen „europäisch“ und „orientalisch“ gekleidete Personen dar, wobei die Bauern als Soldaten und die Läufer als Herolde wiedergegeben sind.
Der Bildhauer nutzte die unterschiedliche Härte und Struktur von Elfenbein und Ebenholz, um den weißen und schwarzen Kontrahenten ihre spezifische Expressivität zu verleihen. In der Werkstatt des Augsburger Goldschmieds Paul Solanier entstanden die Figurensockel und die Silbereinlagen der Spielfelder – Sterne in grün gefärbtem Elfenbein bzw. verschlungene Régencerahmen in Schildpatt. Damit wurden auch die gekehlten Seiten der Brettschatulle furniert, die mit zwei Schubladen für die Figuren ausgestattet ist. Die schwer lesbare Inschrift auf dem Botenzettel eines der weißen Herold-Läufers trägt den Schriftzug „Her/mann“, den man als Verweis auf den Bildhauer interpretieren kann. Tatsächlich stehen diese stilistisch und kompositorisch Werken nahe, die für Paul Heermann gesichert sind. Für die Dresdner Hofkunst des Barock spielten Verbindungen nach Augsburg eine wichtige Rolle. Exemplarisch belegt dies die Jupitersäule im Grünen Gewölbe, für die Balthasar Permoser die Elfenbeingruppe schuf und Johann Andreas Thelot die Silberreliefs. Vertreter der süddeutschen Goldschmiedemetropole standen kontinuierlich mit dem sächsischen Hof in Kontakt und waren auf den Leipziger Messen präsent, was letztlich die Entstehung solch komplexer Werke ermöglichte. Zweifellos war das preziöse Schachspiel für ein fürstliches Umfeld bestimmt.
Mit seinem Erwerb für das Grüne Gewölbe zu dessen 300. Geburtstag 2023 gelangt das Kunstwerk in einen idealen Sammlungskontext und schließt eine Lücke, sind doch in den Dresdner Inventaren drei Schachspiele mit Elfenbein- und Ebenholzfiguren dokumentiert, die heute fehlen.


Marius Winzeler

 

Abbildung:

1 Schachspiel, Figuren von Paul Heermann, Elfenbein und Ebenholz, Dresden um 1705, Brettschatulle von Paul Solanier, Augsburg, um 1705-1709, Silbereinlagen, gefärbtes Elfenbein, Schildpatt, © Galerie Kugel, Paris, Fotos: Guillaume Benoit
2 Schachspiel, Figuren von Paul Heermann, Dresden um 1705, Brettschatulle von Paul Solanier, Augsburg, um 1705-1709, Detail, Grünes Gewölbe © Galerie Kugel, Paris, Fotos: Guillaume Benoit
3 Schachspiel, Figuren von Paul Heermann, Dresden um 1705, Brettschatulle von Paul Solanier, Augsburg, um 1705-1709, Detail, Silbereinlagen, gefärbtes Elfenbein, Schildpatt © Galerie Kugel, Paris, Foto: Guillaume Benoit