Ein Christuskind für die Liebieghaus Skulpturensammlung
Liebieghaus Skulpturensammlung
Ein außergewöhnlich qualitätvolles Christuskind aus der Zeit um 1470/75 konnte für die Liebieghaus Skulpturensammlung erworben werden und bereichert nun die spätmittelalterliche Sammlung. Der aus Laubholz geschnitzte nackte Knabe mit leicht vorgestelltem linkem Bein hatte einst seine rechte Hand segnend erhoben und mit der linken eine Weltkugel oder einen Reichsapfel gehalten. Heute sind beide Unterarme verloren.
Spätmittelalterliche Christusfigürchen sind keine Seltenheit in musealen und privaten Sammlungen. Zumeist stammen die Exemplare aus dem niederländischen Mecheln, wo am Anfang des 16. Jahrhunderts massenweise dieser sehr beliebten Figuren hergestellt wurden. Doch das Frankfurter Exemplar setzt sich nicht nur durch seine außergewöhnliche Größe von ca. 63 cm in der Höhe sondern auch durch die besondere künstlerische Raffinesse des Bildwerkes von der Mehrzahl der erhaltenen kleineren Christuskinder deutlich ab.
Es gehört zu einer kleinen spätgotischen Gruppe unbekleideter und ziemlich großformatiger stehender Christusfiguren schwäbischen Ursprungs. Die Auftraggeber gehörten offenkundig zu einer besonders anspruchsvollen Klientel. Stilistisch steht das Kind dem Münchner Knaben im Bayerischen Nationalmuseum (um 1470) auffallend nahe und lässt sich damit wie dieser in der Werkstatt Michel Erharts in Ulm verorten. Das hohe handwerkliche und künstlerische Vermögen des verantwortlichen Schnitzers offenbart sich in der sensiblen Modellierung des kindlichen Körpers mit seinem vorstehenden runden Bäuchlein und den Speckröllchen an den Oberschenkeln. Die hübsche, sehr lebendige Physiognomie mit seiner berührenden fröhlichen Mimik wird noch durch die anspruchsvolle original erhaltene Bemalung unterstrichen. Das verdeutlicht besonders eindrucksvoll die differenzierte farbliche Gestaltung des Gesichtes mit der schönen Zeichnung der Augen, den zarten Bögen der Augenbrauen sowie den roten Lippen und Wangen.
Stehendes Christuskind, Michel Erhart, Werkstatt, Ulm, um 1470/75