Ein Glanzlicht niederrheinischer Skulptur: Dries Holthuys "Anbetung des Kindes", um 1490/1495

Museum Kurhaus Kleve - Ewald Mataré Sammlung

Das kleine Altarfragment mit der Anbetung des Kindes gehört zu den Ikonen niederrheinischer Bildschnitzkunst des Späten Mittelalters. Es verkörpert beispielhaft das Intime und den Realismus der unter burgundischem Einfluss stehenden Kunst des Niederrheins. In den vergangenen vierzig Jahren wurde es regelmäßig auf wichtigen Ausstellungen gezeigt. Nun konnte es aus belgischem Privatbesitz für das Museum Kurhaus Kleve erworben werden. Dieses 1997 eröffnete Museum hat in den vergangenen zwanzig Jahren eine bedeutende Sammlung spätmittelalterlicher Skulptur von Bildhauern wie Meister Arnt von Zwolle, Dries Holthuys, Henrik Douverman und Arnt van Tricht, die ein repräsentatives Bild der Bildhauerei am Niederrhein geben, zusammengetragen. Das aus Eichenholz geschaffene Relief zeigt den vor den Toren Bethlehems gelegenen Stall, ein Provisorium in den Ruinen des Palastes von König David. Die Darstellung folgt den Offenbarungen der Hl. Birgitta von Schweden (1303–1373), die beschrieb, wie Maria am Boden kniend, mit gefalteten Händen das Jesuskind, das auf einem Zipfel ihres Mantels liegt, anbetete. Der kniende Hl. Joseph ist mit großer Liebe für Details dargestellt: so schützt er sich gegen die Kälte der Winternacht mit dicken Handschuhen. Er ist in der Tracht des Pilgers gekleidet, mit einer Pellerine um die Schulter und einer Kapuze. Mit dem linken Arm umfasst er die aus einem Baum gearbeitete Stütze des Krippendachs. Hinter beiden frisst der Esel Heu aus dem Trog und der Ochse blickt auf das Jesuskind – ein alttestamentarischer Hinweis auf die Geburt Christi. Ein ungewöhnliches Detail ist auf dem Dach des aus großen Quadern erbaute Krippenhauses erkennbar: ein Engel flickt mit Ähren das schadhafte Dach, ein Hinweis auf Bethlehem, dessen Stadtmauer sich unmittelbar hinter diesem erhebt und dessen Name „Haus des Brotes“ bedeutet. Rechts stolpert ein Hirte, dem die Geburt verkündet wurde, in seiner Eile, um zur Krippe mit dem Jesuskind zu gelangen. Der in Verfall geratene, runde Stadtturm wird gerade repariert. Vermutlich entstammt das Altarfragment einem kleinen Hausaltar, das der Privatandacht diente. Das Gehäuse konnte mit gemalten Flügeln geschlossen werden, die mit Verkündigung und Anbetung der Hl. Drei Könige bemalt gewesen sein könnten. Durch seinen Realismus, seine Intimität, die hohe bildhauerische Qualität und die ungewöhnliche Ikonographie bildet die Krippe ein Glanzlicht niederrheinischer Skulptur.

Dr. Guido de Werd

 

Abbildung:

Dries Holthuys, Anbetung des Kindes, um 1490/1495, Eichenholz, H. 37 cm; B. 45 cm; T. 16,8 cm © Museum Kurhaus Kleve