Ein idyllischer Neuzugang für das Angermuseum: Carl Schuch, Olevano, 1870
Angermuseum Erfurt
Das östlich von Rom im Äquergebirge gelegene Winzerstädtchen Olevano Romano wurde um 1803 für die bildende Kunst entdeckt; eine folgenreiche Entdeckung, denn die „Deutschrömer" blieben im Bann seiner landschaftlichen Schönheit. Carl Schuch hat Olevano zwischen 1870 und 1875 dreimal aufgesucht. Auch ihm wurde das malerische Bergstädtchen und seine einzigartige Umgebung künstlerisch ergiebig, wenngleich unter einem anderen als dem romantischen Gesichtspunkt. Als der zwischen Civitella und Olevano gelegene Eichenwald der Serpentara - der „,Schlangenhain" - 1873 zwecks Abholzung für Eisenbahnschwellen verkauft werden sollte und der Weimarer Maler Edmund Kanoldt eine Spendensammlung unter den deutschen Künstlern veranstaltete, übernahm der materiell unabhängige Schuch etwa ein Viertel der Kaufsumme.
Allein der idyllischen Fama des Ortes; sein Thema sind vielmehr die Brechung farbiger Tonreihen, die modulare Korrespondenz von Helldunkel und Räumlichkeit, die Flächenreferenz der Tonwerte, die Tiefenschichtung korrespondierender Silhouetten, die anschauliche Klärung der Bedingungen ihres bildmäßigen Erscheinens im Licht - kurz: das reflexive Sehen selbst, die Abenteuer des Auges. Man darf hier von einem Vorgriff sprechen auf die „reine Malerei" des Leibl-Kreises, dem Schuch sich zeitweilig anschließen sollte.
Im Angermuseum Erfurt befindet sich eine Bleistiftzeichnung Carl Schuchs, beschriftet Civitella und präzise datiert (6.10.1870), die den Bildgedanken diagonaler Flächenverstrebung eindrucksvoll aufnimmt, ohne im eigentlichen Sinne Entwurfszeichnung zum Bild zu sein, mit dem sie zeitlich, örtlich und formal im engsten Zusammenhang steht. Zu den wesentlichen Bildern im Angermuseum gehören auch die nach 1880 entstandenen Birkenstämme Schuchs aus dem Nachlass Wilhelm Trübners. Die Neuerwerbung stellt jenem Hauptwerk der Erfurter Sammlung ein aufschlussreiches Frühwerk Schuchs zur Seite, das dem vergleichenden Sehen die konzeptionelle Spannweite seines Weges erkennbar macht.
Dr. Wolfram Morath-Vogel
Abbildung: