Ein Jubiläumsgeschenk fürs GRASSI - Kanne mit Bacchanal und Triumph der Meeresgötter, 3. Viertel 16. Jh.

GRASSI Museum für Angewandte Kunst

Die Kanne ist ein herausragendes und zugleich charakteristisches Beispiel für die höchst qualitätvollen Emailarbeiten aus Limoges. Besonders auffallend sind die in feinster Grisaille-Malerei ausgeführten figürlichen Darstellungen auf Schulter und Bauch des Gefäßes, die vom virtuosen Umgang des Monogrammisten bzw. der Werkstatt „IC“ mit der Grisailletechnik Zeugnis ablegen – dargestellt sind ein Bacchanal und der Triumph der Seegötter. Die Hauptszene des Bachanals befindet sich unterhalb der Schnaupe und zeigt den trunkenen, auf einem Esel reitenden Bacchus, der von zwei Satyrn gestützt wird. Auf der Kannenschulter sind u.a. phantastische See- und Fabelwesen zu sehen, die Bocksbeine, Fledermausflügel oder Geweihe besitzen und sich im wild bewegten, schäumenden Wasser tummeln. Die künstlerische Qualität der Figurendarstellungen ist außergewöhnlich hoch, sie wirken lebendig und dynamisch, die Körper werden durch Licht- und Schattentöne fein differenziert und dadurch überzeugend plastisch wiedergegeben.
Als grafische Vorlagen dienten dafür zwei um 1546 entstandene Radierungen von Jacques Androuet Ducerceau (vor 1520–1585/86), die zu einer zehnteiligen Folge mit Schalenentwürfen, den Fonds de Coupes, gehören. Die in ein Schalenrund eingepassten Darstellungen sehen bereits eine Verwendung als Gefäßdekore vor und dürften sich daher unmittelbar an die Emailleure gerichtet haben.
Vergleichbare Emailarbeiten aus Limoges, die Geschirrformen besitzen, dienten höchstwahrscheinlich nicht zur Aufnahme von Speisen oder Getränken, sondern waren begehrte Sammelobjekte, die der Präsentation auf Kredenzen oder in Kunstkammern dienten und damit eine repräsentative Aufgabe erfüllten. Limoges war vom Ende des 15. bis zum 18. Jahrhundert ein Zentrum für die Produktion von Gefäßen und Plaketten in der aufwendigen Technik des Maleremail in höchster Vollendung.
Das im GRASSI Museum für Angewandte Kunst bereits vorhandene Konvolut an Limousiner Maleremailarbeiten wird durch diese Neuerwerbung erheblich bereichert und vermittelt damit die herausragende Bedeutung der Emailtechnik für die angewandte Kunst der Renaissance.


Dr. Thomas Rudi

 

1 Kanne mit Bacchanal und Triumph der Seegötter, Monogrammist/Werkstatt „IC“, Limoges, 3. Viertel 16. Jh.
2 Detail Abwicklung Kannenschulter
3 Detail Abwicklung Hauptszene

© GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig, Felix Bielmeier