Eine Verkündigung in zwei Teilen. Gotische Alabasterreliefs für Museum Schnütgen
Museum Schnütgen, Köln
Der Ankauf der zwei Alabasterreliefs mit der Verkündigung an Maria stellt für die Sammlung des Museum Schnütgen eine außerordentliche Bereicherung dar. Schon zuvor besaß das Museum einerseits herausragende Skulpturen des späten 14. Jahrhunderts, wie z.B. die bekannte Parlerbüste, und andererseits Skulpturen aus dem frühen 15. Jahrhundert, welche den Einfluss der franko-flämischen Hofkunst um 1400 verraten, aber eben noch kein Beispiel, welches diesen Kunstkreis unmittelbar repräsentiert. Das ist der Fall bei diesen Reliefs von erlesener Qualität, deren Vorbilder sich in den burgundischen Niederlanden und der Pariser Hofkunst finden. Die Anmut der Figuren, ihre delikaten Formen und die virtuosen Hinterschneidungen der wehenden Gewänder und der Spruchbänder machen die Reliefs zu kostbaren Zeugnissen einer Blütezeit der Alabasterskulptur. Alabaster ist als kristalliner Gips für eine besonders feine Ausarbeitung geeignet. Im frühen 15. Jh. erfreute er sich bei fürstlichen und geistlichen Auftraggebern besonderer Beliebtheit.
Die Akteure der Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria (Lk 1, 26-38) sind auf zwei ungewöhnlich tiefe Vierpässe verteilt, die sich jeweils mit einem Quadrat durchdringen. Es gelingt dem Bildhauer durch die Position weniger Koordinaten beiden Figuren eine absolut klare, überzeugende und gefestigte Körperhaltung zu verleihen, obwohl sich die Körper unter den weich geschwungenen, wie gemalt erscheinenden Stoffen kaum abzeichnen. Dabei wird differenziert zwischen dem etwas körperhafteren Engel und der von ihrem Mantel wie eine Himmelserscheinung umspielten Maria. Von großer Raffinesse zeugt das Verhältnis der Figuren zur Rahmenform. Die Bögen der Vierpässe werden gefüllt vom bewegten Spiel der Gewänder, Spruchbänder und Flügel, während die Quadratform den Figuren sicheren Halt zu geben scheint, obwohl ein Boden, auf dem sie sich bewegen würden, gar nicht dargestellt ist. Im Leitbild des Museum Schnütgen heißt es: „Neuerwerbungen dienen dazu, die Sammlung qualitativ zu steigern und sie um neue Facetten zu erweitern.“ Wir hoffen, dass dies mit dieser Erwerbung in vieler Hinsicht gelungen ist.
Moritz Woelk
Abbildung: Alabasterreliefs mit der Verkündigung an Maria, Burgundische Niederlande oder Frankreich, um 1410–1420 © Rheinisches Bildarchiv, Köln/M. Mennicken