Erwerb der Terrakotte "Der Wanderer" 1927 von Ernst Barlach
Ernst Barlach Stiftung Güstrow
Ernst Barlach gehört zu den wichtigsten deutschen Bildhauern der Moderne. Mit seinen metaphorischen Menschendarstellungen, die allgemeingültig verschiedene Zustände menschlicher Emotionen in seiner ihm eigenen, auf das Wesentliche verknappten Formsprache einfingen, erlangte der Künstler bereits zu Lebzeiten nationale wie internationale Berühmtheit. Die 2020 dank Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung für die Ernst Barlach Stiftung erworbene Terrakotte Der Wanderer gehört zu einer vierteiligen Werkgruppe, die Motive der 1935 vollendeten Arbeit Fries der Lauschenden aufgreift. Dieser aus neun langgestreckten Gewandfiguren bestehende Fries basiert auf einem 1926 für einen Wettbewerb der Stadt Berlin entworfenen Beethoven-Denkmal. Für dieses Monument konzipierte Barlach eine Gruppe von Lauschenden, die am Korpus des als Turm geplanten Denkmals angebracht werden sollten. Nachdem die Arbeit nicht zur Ausführung kam, entwickelte der Bildhauer die Figuren zu einem eigenständigen Fries weiter. Versinnbildlicht wurde in dem Werk die Macht der Musik, die auf die dargestellten Charaktere eine intensive Wirkung entwickelt. Sie werden zu Lauschenden, Tanzenden oder Sinnenden. Mit dem Motiv des »Wanderers« integrierte Barlach zudem eine persönliche Komponente in das Werk, indem er seine eigenen Gesichtszüge in die Plastik übertrug. Vorzeichnungen belegen, dass der Bildhauer eine konkrete Anordnung der Einzelfiguren sowie eine Umrandung des Frieses durch gotische Spitzbögen vorsah. Die hier intendierte Referenz auf mittelalterliche Sakralkunst wurde in der 1927 entstandenen, vierteiligen Werkgruppe, zu der die Terrakotte des Wanderers gehört, realisiert, indem die vier Terrakottabrände auf spitzbogige Holztafeln montiert wurden. Diese Art des Zusammenspiels aus Holz und Terrakotta ist im Werk Barlachs einmalig und daher als eine für sein Gesamtœuvre besonders aufschlussreiche Komposition zu bewerten. Die Tatsache, dass diese Montage auf Holz handsigniert und somit singulär ist, macht das Werk umso bedeutsamer.
Abbildungen:
Ernst Barlach, Der Wanderer, 1927, Terrakotta, 119,3 cm x 37,7 cm (Holz); 90,6 cm x 18,3 cm © Ernst Barlach Stiftung Güstrow