Erwerbung eines weiblichen Kopfes von Ewald Mataré
Museum Kurhaus Kleve
Der Weibliche Kopf von Ewald Mataré scheint nur einen Hauch manueller Bearbeitung aufzuweisen, so minimal erheben sich Stirn, Nase und Kinn von der wie fließend wirkenden Oberfläche. Er besitzt keinerlei Details – Augenlider oder Brauen –, doch zeigt alles, was nötig ist – einen geradezu archetypischen Kopf einer Frau. Die Reduktion der Form auf elementarste Grundzüge, nach der Mataré lebenslang strebte, findet hier einen perfekten Widerhall. Noch 1924 schrieb er in sein Tagebuch: »Wahre Plastik kennt eigentlich keine Überschneidung innerhalb der Form, und es ist ständig ein Zuviel, was man macht.« Zu sehen ist der Kopf einer schönen Frau in aufrechter Haltung und in völliger Stille, unprätentiös, aber gerade dadurch sensationell.
Durch Matarés Tagebucheinträge wissen wir, dass hier vermutlich das Gesicht der Schauspielerin Annemarie Mummenhoff (1903–1983) dargestellt ist, die er in den 1920er Jahren kennenlernte. Seine Porträts entstanden immer aus persönlichen Antrieben heraus, bestellte Arbeiten führte er kaum aus. Ursprünglich als Maler ausgebildet, fand er erst Anfang der 1920er Jahre zum Holzschnitt und anschließend zur Bildhauerei. Der natürliche Widerstand des Holzes auf seine vorwärtsstrebende Hand entsprach seinem Denken und Handeln viel mehr als das Aufbringen von Farbe auf einem Maluntergrund.
Der Weibliche Kopf entsteht in einem Schlüsseljahr für seine somit vergleichsweise noch kurze Tätigkeit als Bildhauer, in dem er die bislang radikal minimalsten Werke erstellt – wie etwa die Schreitende/Torso (Edwin Scharff Museum, Neu-Ulm) und den Männlichen Kopf (Nationalgalerie Berlin). Die Werke wurden vermutlich gemeinsam bei der ersten Einzelausstellung seiner Plastiken im Oktober 1926 im Kunstsalon Fritz Gurlitt in Berlin präsentiert. Als im selben Jahr seine Tochter Sonja geboren wurde, nahm er einige Jahre später eine Hochschultätigkeit an. Der Weibliche Kopf markiert daher einen Endpunkt seines freien Schaffens als auch einen Höhepunkt seines minimalen Denkens in Hinblick skulpturaler Formgebung. Nie zuvor und nur noch selten danach verschränkte Mataré sowohl Form, Inhalt und Aussage auf derart präzise und reduzierte Weise.
Valentina Vlašić
Abbildung:
Ewald Mataré (1887–1965), Weiblicher Kopf, 1926. Birnbaumholz, H 29 cm
© Museum Kurhaus Kleve – Dauerleihgabe des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., Abstammung aus der Sammlung Margrit Loh, Moyland, Erwerbung gefördert durch die Kulturstiftung der Länder, die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Kunststiftung NRW und die Sonja Mataré-Stiftung