"Es war nichts Außergewöhnliches da - aber die kleine Schafgruppe hat mir grossen Eindruck gemacht.": Erwerb der "Schafgruppe" von Franz Marc, 1905/1906

Schloßmuseum Murnau

Die aus drei stehenden und drei liegenden Schafen komponierte kleine Tiergruppe bearbeitete Franz Marc im Winter 1905/06. Maria Franck erinnerte sich an ihren ersten Besuch in seinem Atelier in München im Dezember 1905 oder im Januar 1906, also in der ersten Zeit der näheren Bekanntschaft mit ihrem späteren Mann: „[…] kam ich in sein Atelier. Es gab an Malerei nichts besonderes zu sehen – nur eine kleine Plastik fiel mir auf – eine Gruppe von Schafen – in Wachs modelliert, aber noch unfertig. Es lagen angefangene Schafe auf dem Tisch – der ganz nach Arbeit aussah. … Es war nichts Außergewöhnliches da – aber die kleine Schafgruppe hat mir grossen Eindruck gemacht. Welche Empfindung war in den liegenden Tieren, damals habe ich gewusst, wer so aussieht wie er – wer solche schönen, kraftvollen, ausdrucksvollen Hände hat und diese kl. Plastik gemacht hat – der muß ein großer Künstler werden können.“ 1904 hatte der Künstler als erste (nicht mehr erhaltene) Figur seinen Hund Schlick modelliert. Bis 1914 folgten weitere figürliche Werke. In seiner Schaffenszeit waren es insgesamt jedoch nur 16 Bildwerke – Einzelfiguren bzw. Gruppen –, von denen noch zwölf erhalten sind (die beiden letzten unvollendet). Bis auf zwei Frauenakte schuf Marc Tiergruppen oder einzelne Tiere, darunter den Panther aus dem Jahr 1908 oder die aus zwei Pferden bestehende Gruppe von 1908–1909. Diese Arbeiten nehmen demnach im Gesamtwerk des Malers keinen großen Raum ein, sie geben jedoch ein charakteristisches Bild seiner künstlerischen Gestaltungsweise, wie sie gleichzeitig oder – wie in der Figur des Panthers – seiner Malerei vorausgehend zum Ausdruck kam. Von seinen sieben kleinformatigen Wachs-Bildwerken ließ Marc nur den Panther und die Pferdegruppe zu Lebzeiten in Bronze gießen. Hierbei ging die Wachsplastik verloren. Die anderen, darunter die Schafgruppe, blieben als vom Künstler unmittelbar geformtes Werk erhalten. Der Schafgruppe aus Wachs waren einige farbige Vorzeichnungen vorausgegangen, die die sechs Tiere aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen Positionen erfassten. Wie diese Vorstudien sind auch die Wachsfiguren ihren natürlichen Formen und Bewegungen entsprechend frei stehend oder liegend aneinandergeschmiegt naturalistisch und detailgetreu wiedergegeben, wie es auch in den Jahren bis 1909 seiner stilistischen Ausrichtung entsprach. 1910, als er August und Helmuth Macke kennenlernte und Kontakt zur „Neuen Künstlervereinigung München“ aufnahm, erhielt er neue Impulse, die ihn zunehmend zu seiner unverwechselbaren expressiven Bildsprache führten. In dem gemeinsam mit Wassily Kandinsky herausgegebenen Almanach Der Blaue Reiter kamen 1912 seine künstlerischen Überzeugungen auch programmatisch zum Ausdruck.

Dr. Brigitte Salmen

 

Abbildung:

Franz Marc, Schafgruppe, 1905/1906, Wachs, montiert auf Platte, 14,5 cm x 41,5 cm x 20 cm; Platte 51,2 cm x 20,2 cm © Schloßmuseum Murnau