Felix Nussbaum, Tanz an der Mauer (Sargträger), 1930
Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück
Mit dem Erwerb des Bildes „Tanz an der Mauer“ von Felix Nussbaum aus dem Jahre 1930 konnte für das Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück ein wertvoller Beitrag zur Vervollständigung der Sammlung geleistet werden.
Felix Nussbaum wurde 1904 in Osnabrück geboren und 1944 in Auschwitz ermordet. Nach dem Studium in Berlin und einem Studienaufenthalt an der Villa Massimo in Rom ab 1932 entstand das Gros seiner Werke im belgischen Exil. In ihnen setzt er sich auf erschütternde Weise mit Verzweiflung und Ängsten auseinander, denen er als verfolgter, im Versteck lebender Jude ausgesetzt war. Es entstand in der Zeit der Existenzbedrohung durch den nationalsozialistischen Terror ein singuläres Oeuvre, in dem die Kunst zu einem Akt des Widerstands reift. „Tanz an der Mauer“ ist während seiner Studienzeit in Berlin entstanden. Aus dieser Zeit sind nur sehr wenige Bilder erhalten, da ein Großteil seines Frühwerks Ende 1932 einem Atelierbrand zum Opfer fiel. Im Frühwerk lassen sich zwei deutlich zu unterscheidende Bereiche erkennen: fröhliche, erzählerische Bilder, die den Einfluss von van Gogh und Rousseau belegen und eine Anzahl von „Angstbildern“, zu den die Neuerwerbung zählt. Während sich viele seiner freundlichen Bilder in Privatbesitz erhalten haben, fanden seine „Angstbilder“, die in Phasen entstanden, in denen sich seine Melancholie zu einem Albdruck steigerte, wenige Käufer und fielen zum großen Teil dem Brand zum Opfer. Die Sammlung des Felix-Nussbaum-Hauses konnte bis jetzt keines dieser Bilder zeigen. „Tanz an der Mauer“ nahm er mit nach Italien. Er dürfte es als ein Referenzbild verstanden haben, zu dem bei seiner Ausstellung 1930 in Berlin sehr viel in der Presse zu lesen war. Amüsiert schrieb z.B. Willi Wolfradt: „Nussbaum malt Galgen und Gerippe, an denen rosaohrige Ratten knabbern. Ein Albtraum aus Zuckerguss und Marzipan.“ Nummer 850.000 ist auf dem Sarg zu lesen, den die Knochenmänner ins Bild schaukeln. Nussbaum hingegen ist es todernst, er malte sich die Angst von der Seele, ohne auch nur ahnen zu können, dass dieser Albtraum für ihn Realität werden würde.
In seinem Bild „Die Verdammten“ aus dem Jahre 1943/44, das kurz vor seiner Deportation nach Auschwitz entstand, nimmt er dieses Motiv der Sargträger wieder auf. Nr. 25.367 und Nr. 25.368 sind die Särge nun bezeichnet. Diese Zahl kommt der aus Belgien deportierten Juden sehr nahe. Mit „Tanz an der Mauer“ kann somit auch in der Zusammenschau mit einem der letzten Gemälde ein tiefer Einblick in die Welt der Bildfindung in Nussbaums Oeuvre gewährt werden. Das Gemälde ist daher in doppelter Hinsicht eine bedeutende Ergänzung der 205 Werke umfassenden Sammlung des Hauses.
Inge Jaehner
Abbildung:
Felix Nussbaum (1904-1944), Tanz an der Mauer (Sargträger), 1930. Öl auf Leinwand, 49,5 x 63,8 cm.
© Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück