Gabriele Münter, Murnauerin 1909
Schloßmuseum des Marktes Murnau
Das Gemälde zeigt das Porträt einer alten, ländlich gekleideten Frau. Es ist Rosalia Leiß, die in Murnau unterhalb des Schlosses wohnte. Ganz in der Nähe, in „Echter's Bazar", hatten sich Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin während ihres zweiten gemeinsamen Murnauer Aufenthalts im Frühjahr 1909 einquartiert und ihre im Vorjahr begonnene neue expressive Malerei weiterentwickelt. Sie kamen von München, um sich in Murnau in das ländliche Leben zu begeben, die landschaftliche Schönheit wahrzunehmen und sich hier für ihre künstlerische Arbeit inspirieren zu lassen.
Neben zahlreichen Orts- und Landschaftsbildern schuf insbesondere Münter auch Porträts - so das der Rosalia Leiß, die Münter nicht nur in einem Photo vor ihrem Haus dokumentierte, sondern, losgelöst von ihrem häuslichen Umfeld, in überaus eindrucksvoller, konzentrierter Weise in diesem Gemälde erfasste.
Das großformatige Werk beschreibt die alte Frau in Dreiviertelansicht, in aufrechter Haltung sitzend, in schlichter bäuerlicher Kleidung mit grüner Jacke und blauem Rock, um den Kopf ein besticktes Tuch gebunden. Münter gibt sie in großzügiger formaler Reduzierung und in kräftiger, großflächiger Farbgebung vor rotem Hintergrund wieder und führt damit ihre neuartige Malweise fort. Sie ist zugleich von einer lebhaften, vibrierenden Pinselführung charakterisiert und konzentriert sich in der leuchtenden, kontrastreichen Farbgestaltung des Gesichts, die die Wachheit und Lebendigkeit der Dargestellten prägnant erfasst.
Gabriele Münter hat hier ein Werk von enormer Ausdruckskraft geschaffen, das charakteristisch für ihre von nun an gültige künstlerische Gestaltungsweise ist und mit dem sie sich als eine der bedeutenden Künstlerinnen des deutschen Expressionismus erweist.
Dr. Brigitte Salmen
Abbildung: