Georg Kolbe, Skulptur Mahnmal, 1957
Kunstmuseum Stiftung Moritzburg, Halle (Saale)
Georg Kolbe gehört zu den bedeutendsten Vertretern der figürlichen deutschen Plastik in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Kunstmuseum Moritzburg besitzt von ihm zwei Plastiken: das Porträt Henry van de Velde (1912) und Kathedrale (1922). 1912 gelang dem Künstler auf der Weltausstellung mit der Arbeit Tänzerin, die sich heute in der Sammlung der Nationalgalerie Berlin befindet, der Durchbruch. Obgleich Kolbe auch in der Zeit des Nationalsozialismus Staatsaufträge erhielt, blieb er seiner künstlerischen Auffassung treu. So wurde er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiterhin geachtet und war für die nachfolgende Generation von figürlichen Bildhauern, auch für die Bildhauer in der DDR, ein künstlerisches Vorbild. Bereits unmittelbar nach dem Krieg wurde Kolbe wieder für öffentliche Aufträge angefragt.
In dieser Zeit entstand der Entwurf zu einem Mahnmal für die Opfer des Faschismus für die Stadt Halle. Die zweifigurige Gruppe – eine niedersinkende Gestalt, die von einer anderen gehalten wird – hat Kolbe in verschiedenen Gruppenplastiken variiert. Die Oberfläche der Figuren ist locker modelliert und bleibt skizzenhaft, wie häufig bei den Plastiken aus dieser Zeit. Nach dem Abriss des Kaiser-Wilhelm-Denkmals aufgrund des alliierten Kontrollratsbeschlusses am ehemaligen Preußenring in Halle, der nach 1945 als Hansering neu gestaltet wurde, schrieb die Stadt im April 1946 einen Wettbewerb für einen „Denkstein für die Opfer des Faschismus“ gegenüber dem Gerichtsgebäude aus. Teilnahmeberechtigt waren alle zur Berufsausübung zugelassenen deutschen Bildhauer und Architekten. Das Denkmal sollte die körperlichen und seelischen Qualen von Häftlingen darstellen, jedoch verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die dem Leid seinen Sinn geben und kämpferisch wirken sollte. Im September wurde bereits der Grundstein für das Denkmal gelegt, obwohl das Preisgericht aus den 41 eingesandten Entwürfen keinen auswählte. In einer zweiten Runde forderte man unter anderen auch Georg Kolbe zu Entwürfen auf. Kolbes Entwurf wurde abgelehnt, das Denkmal nicht ausgeführt.
Den von Kolbe in Gips ausgeführten Entwurf aus dem im Georg-Kolbe-Museum in Berlin aufbewahrten Nachlass ließ 1957 der in Bonn und Berlin tätige Gesandtschaftsrat der kanadischen Botschaft Victor Moore in Bronze gießen. Aus seinem Besitz wird er dem Kunstmuseum Moritzburg zum Erwerb angeboten. Die Plastik verkörpert ein Stück hallescher Geschichte der Nachkriegszeit und stellt für den Sammlungs-schwerpunkt figürliche deutsche Plastik einen weiteren, überregional bedeutenden Zugewinn dar.
Cornelia Wieg
Abbildung:
Georg Kolbe (1877-1947)
Skulptur Mahnmal
Bronze mit brauner Patina, erster und einziger nachgewiesener Guss
Gipsmodell: 1946
Guss: 1957
H. 34,4 cm, B. 21,7 cm, H. 16 cm
© Kunstmuseum Stiftung Moritzburg