Georg Pfründt, Relief "Allegorie des Gefühls" (Tactus), 1636
Bayerisches Nationalmuseum, München
Das aus der Kunstkammer der Fürsten zu Oettingen-Wallerstein auf Schloß Harburg stammende Terracotta-Relief gehörte wohl zu einer Folge mit Darstellungen der fünf Sinne, von der sich sonst nur das Relief mit der Darstellung des Gehörsinns (Auditus) im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg erhalten hat.
Das Relief zeigt einen Feldarzt, der eine offensichtlich sehr schmerzhafte Untersuchung am Kopf eines jungen Mannes ausführt, dessen Haare dafür teilweise geschoren wurden. Der Patient wird mit schmerzverzerrtem Gesicht und gekrümmten Körper gezeigt; mit den Zähnen beißt er auf die Unterlippe; mit der rechten Hand stützt er sich schwer auf der Tischplatte ab. Demgegenüber steht die sachliche Gelassenheit des Feldschers, der hinter dem Patienten steht und seinen Kopf mit der Linken in Position hält, während er mit zwei Fingern der Rechten die Wunde abtastet.
Pfründt wählte für die Darstellung des Gefühls bzw. des Tastsinns, der hier mit dem Schmerz gleichgesetzt ist, eine besonders naturalistisch geschilderte Szene. Sie spiegelt die im Dreißigjährigen Krieg vom Künstler gemachten Erfahrungen wider, als er im Dienste des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar selbst gekämpft hat. Pfründts Körperdarstellung zeichnet ein eingehendes Naturstudium aus. Weder im Figurenstil noch im Physiognomischen sind Reminiszenzen an den Stil seines Lehrers Leonhard Kern auszumachen. Die Reliefkonzeption hingegen, bei der scharf konturierte Figuren in die Fläche vor einen flachen Hintergrund projiziert werden, lässt den Einfluss Kerns erkennen. Vermutet wurde, dass es sich bei den Terracotta-Reliefs um Modelle für die Ausführung in Elfenbein oder in Bronze handelt. Gemeinsam mit Pfründts Statuette erweitert das ausserordentlich qualitätvolle Relief die Sammlung profaner Kleinplastik des Barock des Bayerischen Nationalmuseums auf exzellente Weise.
Dr. Jens L. Burk
Abbildung:
Georg Pfründt (1603 – 1663), Allegorie des Gefühls (Tactus), 1636, Terracotta, H. 14,9 cm; B. 10,9 cm, Rückseitig „GP“ monogrammiert und „1636“ datiert sowie zwei Klebeetiketten mit der Inventarnummer „221“ der Oettingen-Wallerstein’schen Kunstsammlung.
© Bayerisches Nationalmuseum, München