Heimkehr vom Kirchweihfest (F.G. Waldmüller)

Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Waldmüllers Gemälde „Heimkehr vom Kirchweihfest“ ist ein Hauptwerk aus der Spätzeit des Künstlers. Im gleißenden Glanz des Sonnenlichtes zeigt Waldmüller in einer komplizierten und figurenreichen Komposition jenen anrührenden Moment, wie sich Kinder auf einem Bauernhof nach der Rückkehr der Eltern und der älteren Geschwister vom Kirchweihfest über die mitgebrachten Geschenke freuen. Die Kindergruppe in der Mitte wurde mit Lebkuchen beschenkt. Ein Tuch, das ein durch seinen Kranz als Braut ausgewiesenes Mädchen stolz vorzeigt, wird von einer Gruppe  zur Rechten bewundert. Szenen der Freude zeigt auch der Hofwinkel im Hintergrund links. Es ist eine einfache, bäuerliche Welt, die Waldmüller durch intensive Farbigkeit und Lichtbehandlung in sinntäglicher Verklärung zeigt. Freude, Zuneigung und Dankbarkeit sind jene Gefühlswerte, mit denen Waldmüller die natürliche und naturverbundene bäuerliche Lebenswelt beim Betrachter positiv besetzt.

Höchst absichtsvoll setzt Waldmüller künstlerische Werte in eine Sozialidylle um. Der lebenslange Protest des Künstlers gegen die Kunstakademie und deren Verbildung, seine Forderung nach absoluter Naturtreue, seine stupende Beobachtung von Licht und Bewegung, sein Idel einer lebendigen Kunst, die genau und deshalb wahr ist, findet in der „Heimkehr vom Kirchweihfest“ eine thematische Ergänzung in Waldmüllers unverhohlener Sympathie für die einfachen Leute.

Geadelt durch die Farbenpracht und das strahlende Sonnenlicht wird hier vom Maler eine Gegenwelt gezeigt, in der die unübersehbaren Hinweise auf Armut und Alter die unverdorbene Menschlichkeit der bäuerlichen Welt um so deutlicher hervortreten lassen. Mit seinem insistierenden Realismus weist Waldmüller weit in die Moderne. Mit seiner sozialen Botschaft hingegen hält er einer modernen städtischen Gesellschaft im Zeichen von Industrialisierung und Entfremdung einen mahnenden Spiegel vor. In diesem Wechselspiel von künstlerischer Moderne und sozialer Idylle ist die „Heimkehr vom Kirchweihfest“ ein Schlüsselwerk von höchster Meisterschaft für Waldmüller, für seine Kunst und seine Zeit im Wechsel vom Biedermeier zum Realismus.

Peter-Klaus Schuster

Abbildung:  ©Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Jörg P. Anders
Ferdinand Waldmüller (1783-1865)
Heimkehr vom Kirchweihfest, 1859/60
Öl / Holz, 74 x 94,4cm
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin