Henri Toulouse-Lautrec, Elles, 1896
Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Henri Toulouse-Lautrec gab 1896 bei Gustave Pellet in hundert Exemplaren die lithographierte Folge „Elles“ heraus. Heute gehören die Blätter zu den gesuchtesten Werken des Künstlers und zählen zu den künstlerischen „Glanzpunkten, die das 19. Jahrhundert auszeichnen“ (zit. G. Adriani, 1986).
Toulouse-Lautrec war ein Verehrer der Frauen. Neben den Frauen, die künstlerisch oder gesellschaftlich im Mittelpunkt standen, gehörte seine Zuneigung aber auch den Frauen, die er ELLES nannte. SIE, die Prostituierten, die in den Maisons closes lebten und arbeiteten. Ihnen fühlte sich Toulouse-Lautrec innerlich verbunden: auffällig, am Rande der Gesellschaft lebend und doch begehrt und bewundert. In die Welt der Maisons closes begab sich der aristokratische Künstler häufig, um mit den Frauen und Mädchen zu leben, sie zu beobachten und zu zeichnen - nicht als Objekte erotischer Begierde oder pornographischer Neugierde, sondern als Menschen, die ein schlichtes, geregeltes Leben führten. Es wird keine fortlaufende Handlung geschildert, sondern der Künstler entrollt in elf Bildern vor den Augen des Betrachters das alltägliche Leben dieser Frauen: das Erwachen, die morgendliche Toilette, die Haarpflege, das Aufräumen oder den Empfang eines Liebhabers. Auch die künstlerische Behandlung ist sehr variabel: Kräftige, farbige Lithographien stehen neben zarten, aquarellähnlichen, bildhaft ausgeführte neben skizzenhaften Arbeiten. Das erworbene Exemplar stammt aus der Sammlung von Alfred Walter Heymel. In seiner exquisiten Kunstsammlung nahmen die Arbeiten von Toulouse-Lautrec die zentrale Stellung ein. Heymel verkaufte die „Elles“-Mappe mit seinem Lautrec-Bestand 1911 an Heinrich Stinnes. Das Kupferstich-Kabinett Dresden begann als eine der ersten öffentlichen Graphiksammlungen bereits um 1895 mit der systematischen Erwerbung hochrangiger Graphik zeitgenössischer französischer Künstler. Mit über 170 Blättern gehört Dresden zu den führenden deutschen Toulouse-Lautrec Sammlungen. So bildete die nur in wenigen Museen vollständig nachweisbare „Elles“-Mappe ein besonders erstrebtes Desiderat. Den Anlass zu dieser herausragenden Erwerbung gab der Umzug der Sammlung aus dem Nachkriegsprovisorium an der Güntzstrasse in das wiederaufgebaute Dresdner Residenzschloss.
Wolfgang Holler
Abbildung: