Hermann Glöckner, Werkgruppe der "Modelli", 1960/1978
Klassik Stiftung Weimar, Bauhaus-Museum
Hermann Glöckner, der häufig als »Patriarch der Moderne« bezeichnet wird und für viele Künstler in der DDR eine Autoritäts- und Bezugsperson war, gehört zu den faszinierendsten deutschen Künstlerpersönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts. Zeit seines Lebens verwahrte sich Glöckner gegen die einseitige Qualifizierung als Konstruktivist oder eine alleinige Zuordnung seines Werkes in die geometrische Abstraktion. Wie er selbst betonte, spielte für ihn stets auch die Intuition und das zufällige Finden und Erfinden eine entscheidende Rolle. In seinem künstlerischen Handeln zeichnen Glöckner eine große innere Freiheit aus, Experimentierfreude sowie ein hoch entwickeltes handwerkliches Können. Seine experimentell avangardistische Haltung wurde in der DDR radikal abgewertet, auf die Glöckner mit einem widerständigen Rückzug reagierte.
Glöckners Werk wurzelt in der klassischen Moderne und entwickelte sich vor und nach 1945 in erstaunlicher Kohärenz. Vom Beginn seiner Karriere an hat er ein besonderes Verhältnis zur Materialität der Dinge entwickelt. Neben seinem ausgeprägten Verständnis für künstlerische Praktiken, das sich aber nie einem akademischen Diktum unterwirft, sondern autodidaktische Züge trägt, zeichnet ihn ein geradezu spielerisch-systematischer Erfindungsgeist aus. Dieser zeigt sich insbesondere in seiner Werkgruppe der kleinformatigen »Modelli«, die im Spätwerk ab Ende der sechziger Jahre entstanden sind und die – in ihrer Gesamtheit betrachtet – eine innovative, international relevante Position entwickeln. In jüngster Zeit wurden diese Kleinskulpturen Glöckners als eigenständiger Beitrag zum Minimalismus gewertet, gleichwohl zeigen sie aber auch Elemente der Arte Povera auf. Im neuen Bauhaus-Museum der Klassik Stiftung Weimar werden sie im Bereich der Bauhaus-Rezeption eine Mittlerposition zwischen der Klassischen Moderne und zeitgenössischen Positionen einnehmen.
Die »Modelli« entwickelten sich ausgehend von seinem im Jahr 1930 begonnenen, so genannten Tafelwerk, in dem Glöckner eine methodisch unternommene, strukturelle Analyse von Formen und Materialien leistete, über die große Werkgruppe der Faltungen bis hin zu den kleinen, autonomen Skulpturen, die in einigen Fällen auch als „Entwurf“ für später auszuführende große Skulpturen zu verstehen sind.
Wolfgang Holler
Abbildung:
Hermann Glöckner (1889-1987), 16 Kleinskulpturen, so genannte Modelli, 1960 bis 1978 entstanden. Verschiedenste Materialien, darunter Holz, Leinwand, Pappe, Plastik, Arzneimittelschachteln, Tontöpfe, Papphülsen u.v.m.
© Museen der Klassik Stiftung Weimar