Holzschnitte aus dem Harz: Feininger's Finest
Stiftung Moritzburg, Halle
Lyonel Feininger schuf sein Holzschnittwerk, das einen Gesamtumfang von rund 320 Arbeiten hat, im wesentlichen innerhalb von nur drei Jahren. Vom Frühjahr 1918 bis Ende 1920 entstanden in obsessivem Arbeitseifer beinahe alle bedeutenden Drucke, davon 117 allein im ersten Jahr. Feiningers Hinwendung zum Holzschnitt am Ende des Ersten Weltkriegs fiel in eine Phase künstlerischer Neuorientierung. Im Frühjahr 1918 begann Feininger noch in Berlin mit den ersten Holzschnitten. Es folgte ein Sommeraufenthalt in Braunlage im Harz, den der Künstler dazu nutzte, „wie ein Rasender“, wie er selbst schrieb, Holzschnitte anzufertigen. Auf Grund seines Umfangs und seiner künstlerischen Dichte und Ausdrucksstärke steht das Holzschnittwerk gleichrangig neben Feiningers Ölbildern und Aquarellen. Im Gesamtœuvre nimmt es eine Scharnierstellung in der künstlerischen Entwicklung Feiningers ein, da der Künstler für seine Malerei der 1920er Jahre mit Hilfe der Holzschnitte gestalterische Fragen zum Bildraum und zur Durchlichtung klären konnte. Gleich am Anfang von Feiningers Holzschnittwerk steht das große Blatt Gelmeroda VII nach dem gleichnamigen Ölbild aus dem Jahr zuvor. Noch im Krieg entstanden, zeichnet sich der Holzschnitt durch den starken Helldunkelkontrast und die dramatisch-expressive, ja, expressionistische Darstellung der Dorfkirche von Gelmeroda bei Weimar aus. Gegen Ende von Feiningers Beschäftigung mit der Technik des Holzschnittes steht 1920 hingegen das Blatt Gelmeroda, auf dem die expressive Auffassung des frühen Holzschnittes einer kristallinen Welt gewichen ist, in der alle Linien mit dem Lineal gezogen sind und Architektur und Umraum kaum noch voneinander getrennt werden können. Das großformatige Hauptwerk Das Tor von 1920 zeigt mit dem Stadttor von Ribnitz ein norddeutsches Motiv und gehört wie das Blatt Gelmeroda zu einer Reihe von Holzschnitten, in denen Feininger frühere Kompositionen desselben Motivs wieder aufgriff und weiterentwickelte. Waldkirche 2 entstand nach Vorarbeiten aus dem Harz und steht in Zusammenhang mit der Genese des berühmten Kathedrale-Holzschnittes für das Manifest des Bauhauses.
Björn Egging