Horst Janssen, Porträt des Novalis, 1976
Novalis-Stiftung Oberwiederstedt
Aus Anlass des 80. Geburtstages des Hamburger Künstlers war die Wiener Art Albertina im September 2009 Horst Janssen gewidmet. Eine der drei zwischen Februar 1975 und Mai 1976 entstandenen Proträtzeichnungen Janssens von Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg) wurde dort gezeigt. Die Ernst von Siemens Kunststiftung hat sie für die Novalis-Stiftung Wege wagen mit Novalis erworben und dem Novalis-Museum im Schloss Oberwiederstedt als unbefristete Leihgabe übergeben. Bei der feierlichen Rückkehr der kleinen Galerie von Porträts von Mitgliedern der Familie der Freiherren von Hardenberg aus dem 17. und 18. Jahrhundert wurde am 4. März 2010 auch das Novalis-Porträt von Horst Janssen besonders gewürdigt. Denn auch dieses außergewöhnliche, eher unscheinbare Kunstwerk befand sich schon einmal in Oberwiederstedt. Horst Janssen hat diese Zeichnung im Unterschied zu den beiden anderen mit keinem Zitat versehen. Ganz auf das Wesen der Persönlichkeit des Dichters und Philosophen konzentriert, ist sie gerade in den klar und markant gezeichneten Gesichtszügen besonders interessant, weil sie offenbar von allem Spekulativen, das sonst in der Vielheit der Novalis-Bildnisse seit dem 19. Jahrhundert leider zu oft mitschwingt, bewusst abstrahiert. In erstaunlicher Klarheit tritt dagegen Janssens feines Bildnis des jungen Dichters und Ingenieurs hervor. Auch wenn Janssen das Porträt auf ein mehrfach gefaltetes Blatt von gewöhnlichem Heftpapier mit Lochung am Rande zeichnete, es also vielleicht auch mit sich herumgetragen hat (fast erinnert dieses Indiz an die Angewohnheit Friedrich von Hardenbergs, bei seinen oft auch dienstlichen Reisen Notizen zu Dichtungen oder beruflichen Sachen mit sich zu nehmen, um bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiter daran zu arbeiten und nichts zu vergessen, was an Ideen plötzlich aufschien), so besitzt es doch besonderen Wert. In der Reihe der Dichterporträts von Horst Janssen dürfte dieses eines der interessantesten sein, weil man den offenen, aufgeschlossenen Blick des jungen Mannes in die Weite des Raumes als Einladung zum Gespräch verstehen darf – und am wenigsten käme man darauf, in ihm jenen „Romantiker“ zu erkennen, als den man ihn zu lange verdächtigte. Dieser Janssensche Novalis hätte unter seinen Freunden um 1800 zumindest Friedrich Schlegel, einigen Philosophen und einigen Naturforschern gefallen.
Dr. Gabriele Rommel
Abbildung:
Horst Janssen, Porträt des Novalis, Bleistift und Farbstift auf Papier, 27,6 cm x 21,5 cm, datiert und signiert, Widmung "der gewünschte Novalis" © Novalis-Stiftung, Oberwiederstedt