Ignaz Christoph Russinger, Porträtbüste des Laurentius Russinger 1785
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Die von beeindruckender Lebensnähe geprägte Büste bildet den Porzellanmodelleur, Arkanisten und Porzellanfabrikanten Laurentius Russinger (1739 -1810) ab. Zielsicherer Blick und streng in den Nacken gestreiftes, weitgehend von einer Perücke abgedecktes Haupthaar verleihen dem Dargestellten eine selbstbewusste Erscheinung. Das bewegte, Nlott vor der Brust verschlungene Halstuch vermittelt dagegen eine Note lässiger Eleganz. Besondere Bedeutung besitzt die Inschrift, die rückseitig in den noch feuchten Ton geritzt wurde: „Lauren Russinger agé de 45 ans Directeur de la Manufacture du Faubourge du Temple né à hoechst en 1740 fait par son fils en 1785". Sie hält fest, dass das Porträt vom Sohn des Porträtierten modelliert wurde. Allerdings irrte sich Ignaz Christoph Russinger in der Angabe des Geburtsjahrs seines Vaters, der am 11. März 1739 getauft worden war.
Von 1758 bis 1767 bekleidete Laurentius Russinger das Amt des Modellmeisters der kurmainzischen Porzellanmanufaktur in seiner Vaterstadt Höchst, danach kurze Zeit im pfälzischen Zweibrücken. 1771 wechselte er schließlich an die Pariser „,Manufactur de porcelaine allemande de la Cortille", und 1787 übernahm er die Leitung jenes Betriebes. Da bisher kein Porträt dieses bedeutenden Künstlers und Unternehmers bekannt war, besitzt die Büste schon als neu entdecktes historisches Dokument einen hohen Stellenwert. In kulturgeschichtlicher Hinsicht ist sie ein wichtiges Zeugnis der Blütezeit der Porzellankunst. Darüber hinaus stellt das Bildnis ein ausdrucksstarkes und höchst qualitätvolles Beispiel der Porträtbildnerei im ausgehenden 18. Jahrhundert dar. Sein Schöpfer orientierte sich offenbar eng an der frühklassizistischen französischen Bildhauerei unter Ludwig XVI., reflektieren Stil und die der Spontaneität verpflichtete Modellierung doch künstlerische Auffassungen, die damals von der Pariser Akademie geprägt worden waren.
Für die Sammlungen des Germanischen Nationalmuseum, wo die Gattung des plastischen Porträts bisher seiner historischen Bedeutung nicht adäquat präsentiert werden konnte, bedeutet die Büste einen großartigen Gewinn. Nicht zuletzt vermittelt das Stück der Forschung zu beiden Künstlern, dem Dargestellten wie dem ausführenden Meister, einen wichtigen Impuls.
Dr. Frank Matthias Kammel
Abbildung: