Kelchkrater kehrt in die Sammlung Schloss Erbach zurück
Gräfliche Sammlungen Schloss Erbach
Ein rotfiguriger Kelchkrater aus der Antikensammlung Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754 – 1823)
Mit einer „Vorliebe für die Alterthümer geboren“ wuchs Graf Franz I. im Schloss des beschaulichen Städtchens Erbach im Odenwald auf. Während einer sechs Jahre dauernden Grand Tour (1769 –1775) quer durch Europa und Italien machte er Bekanntschaft mit Wissenschaftlern und Sammlern antiker Kunst, die in ihm den Wunsch heranreifen ließen, in seinem Schloss eine eigene Antikensammlung anzulegen. Eine zweite Italienreise im Jahr 1791 ermöglichte schließlich den Ankauf des größten Teils der heute noch in Erbach erhaltenen Antiken. Neben Marmorbüsten, Statuen, Bronzen und Mosaiken erwarb Franz zahlreiche antike griechische, unteritalische und etruskische Vasen, die er im Schloss in drei eigens gestalteten Sammlungsräumen der Beletage aufstellen ließ. Einige Stücke der rund 180 Vasen umfassenden Sammlung wurden später verkauft. Zwei Gefäße, ein Kelchkrater und eine Lekythos, gelangten durch eine Auktion bei Christie’s in London 1984 in die Hanita Dechter Collection nach Los Angeles. Nach dem Ableben der Sammlerin wurden sie bei Christie’s in New York im Juni 2020 erneut versteigert. Die Ernst von Siemens Kunststiftung erwarb den Kelchkrater, während die Lekythos durch Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung und dem Förderverein der Gräflichen Sammlungen ersteigert werden konnte. Beide Gefäße kehren somit nach über 35 Jahren zurück ins Erbacher Schloss. Der rotfigurig bemalte Kelchkrater entstand im frühen vierten Jahrhundert vor Christus in einer unteritalischen Werkstatt. Seine Malerei zeigt auf der Vorderseite eine Kampfszene zwischen einem Kentauren und einem Krieger mit phrygischer Mütze. Mit einer ausholenden Bewegung führt der Kentaur einen Ast gegen seinen Gegner, der ihm mit Lanze und Schild entgegentritt. Im Hintergrund, zwischen beiden Figuren, erscheint ein junger Satyr, der seinen rechten Arm gleichsam zum Anfeuern des Kampfgeschehens erhoben hält. Auf der Rückseite stehen sich zwei Frauen, eine mit Thyrsosstab, die andere einen Spiegel haltend, gegenüber. Über die Malerei der Hauptseite schreibt Graf Franz in einem seiner Sammlungskataloge: „Diese Zeichnung ist so schön, so ausdrucksvoll, daß ich sie als ein Beleg zu dem, was Winkelmann von diesen Gefäßen sagt, daß nemlich solche ein Schatz von Zeichnungen seyen, ansehe.“ Der Krater gehörte einst zusammen mit über 30 weiteren Vasen und einer Vielzahl gezeichneter Vasenbilder des Hofkünstlers Johann Wilhelm Wendt zur Ausstattung des Etruskischen Kabinetts. Bereits im 19. Jahrhundert wurden alle antiken Vasen aus den Sammlungsräumen entnommen und im Grünen Salon zusammen aufgestellt, wo sie noch heute zu sehen sind. Mit den beiden in New York ersteigerten Gefäßen kommen originale Ausstattungsstücke zurück nach Erbach und eröffnen die Möglichkeit, das wohl früheste Etruskische Kabinett Deutschlands in seiner ursprünglichen Form zu rekonstruieren.
Dr. Anja Kalinowski
Abbildung: rotfiguriger Krater, ca. 400-375 v.Chr., H. 32,3 cm
Fotograf: Uwe Dettmar © Gräfliche Sammlungen Schloss Erbach