Kirchners Straßenbild vor dem Friseurladen von 1926 wieder in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
Staatliche Kunstsammlung Dresden
Mit Ernst Ludwig Kirchners „Straßenbild vor dem Friseurladen“ kehrte ein Werk dauerhaft nach Dresden zurück, das vor 1933 in der Abteilung moderner Kunst der Dresdner Gemäldegalerie einen zentralen Platz einnahm. Der Ankauf schließt heute eine schmerzliche Lücke in der Sammlung des Albertinum. Für Dresden hat der Erwerb einen besonderen Stellenwert, Kirchner gehörte hier 1905 zu den Mitbegründern der Künstlergruppe „Brücke“.
1926 hatte Hans Posse, der Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie Dresden, mit der Straßenszene ein Werk ausgewählt, welches – damals hochaktuell – den Alltag in der Großstadt und die Entfremdung des modernen Stadtbewohners thematisierte. Das Bild wurde von der Stadt Dresden finanziert, mit dem Ziel, seitens der Stadt „an der Vervollständigung der Gemäldegalerie teilzunehmen“. Bis 1933 war es als Leihgabe der Stadt im Semperbau am Zwinger ausgestellt. 1933 wurde das Gemälde an die Stadt Dresden zurückgegeben und in der Ausstellung „Entartete Kunst“ im Lichthof des Neuen Rathauses gezeigt, 1937 dann im Stadtmuseum Dresden als „entartet“ beschlagnahmt, in München ausgestellt und 1939/40 im Zuge der sogenannten Verwertung verkauft.
Das in leuchtenden Kontrasten aus Orange und Blaugrün komponierte Figurenbild geht auf die starken Eindrücke zurück, die Kirchner – nach neun Jahren in der Abgeschiedenheit der Schweizer Berge – während seiner ersten Deutschlandreise 1925/26 aufnahm. In Frankfurt/Main, Chemnitz, Dresden und Berlin skizzierte der Künstler Momente des städtischen Lebens. Nach Davos zurückgekehrt, malte er anschließend, bewusst vereinfachend, aus der Erinnerung eine Serie flächenbetonter, durchkonstruierter Gemälde. Das Dresdner Bild darf als eines der besten Werken Kirchners aus den 1920er Jahren gelten: Für die Szene mit der nächtlichen Spaziergängerin, die in grelles Schaufensterlicht getaucht von teilnahmslos eilenden Passanten umringt ist, fand Kirchner eine besonders spannungsvolle Bildkomposition. Der Künstler knüpfte damit an die bereits 1913/14 in Berlin entstandene, viel beachtete Serie von Straßenszenen an, die heute zu den Inkunabeln der Moderne in Deutschland gehören.
Dr. Birgit Dalbajewa
Abbildung: Ernst Ludwig Kirchner, Straßenbild vor dem Friseurladen (Straßenszene), 1926, Öl auf Leinwand, bez. o. l.E.L. Kirchner, 120 cm x 99,5 cm, Staatliche Kunstsammlung Dresden, Inv.-Nr.: 2016/01