Konservierung und Restaurierung von Sechs Pastellen von Joseph Vivien aus der Staatsgalerie Schleißheim
Doerner Institut, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Die „trocken“, in der Regel mit Stiften ausgeführte Pastellmalerei war besonders im 18. Jahrhundert und vor allem in Frankreich so beliebt, dass sie später oft als genuine Kunstform des Rokoko verstanden wurde. Pastelle dieser Zeit faszinieren bis heute – mal aufgrund ihrer Naturnähe und Unmittelbarkeit, mal aufgrund der Virtuosität ihrer Ausführung, und immer aufgrund ihrer kostbaren Fragilität. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verfügen über eine Reihe herausragender Beispiele der Gattung, die zwischen 1700 und den 1750er Jahren entstanden sind.
Zum ursprünglichen, historischen Sammlungsbestand gehören sechs Werke von Joseph Vivien (1657–1734), des wohl bedeutendsten französischen Pastellmalers des frühen 18. Jahrhunderts, die üblicherweise in der Staatsgalerie im Neuen Schloss Schleißheim zu sehen sind. In ihnen sind in einzigartiger Weise dynastische wie kulturelle Verbindungen zwischen Frankreich und Bayern präsent. So zeigen die zum großen Teil auf das Jahr 1700 datierten Bildnisse nicht nur Kurfürst Max Emanuel von Bayern, sondern auch den französischen Thronfolger Louis, dessen bereits 1690 verstorbene Ehefrau Maria Anna Christine Victoria, eine Schwester Max Emanuels, sowie die drei Söhne des Paares.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Bearbeitung des Bestands der französischen Gemälde in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen wurden die Pastelle kürzlich nach München verbracht, um im Doerner Institut kunsttechnologisch untersucht und zum ersten Mal farbig fotografiert zu werden. Die sorgsame Vorbereitung des Transportes bot die Gelegenheit, den Erhaltungszustand der überaus fragilen Pastellmalereien zu überprüfen. Es zeigte sich, dass dringende Maßnahmen erforderlich sind, um das komplexe Materialgefüge der Werke zu stabilisieren. Sämtliche sechs Pastelle sind auf Papier gearbeitet, welches zuvor auf einen mit Leinwand bespannten Spannrahmen geklebt wurde. Bei drei Pastellen sind vor dem Aufziehen des Papiers Holzleisten an den Spannrahmen angefügt worden. Dieser historische Aufbau der Bildträger stellt somit ein spannungsreiches Gefüge dar, das stellenweise zu Rissbildungen im Papier geführt hat. Mit Hilfe der gewährten Fördermittel der Ernst von Siemens Kunststiftung im Rahmen der Corona-Förderlinie wird nun die Konservierung und Restaurierung dieser einzigartigen Werke möglich. Auch die Rahmung kann nunmehr aktuellen konservatorischen Erfordernissen angepasst werden. Dabei erlaubt es der aktuelle Zeitpunkt, die Pastelle unter optimalen Bedingungen in Räumlichkeiten der Alten Pinakothek zu bearbeitet.
Vor ihrer Rückkehr nach Schleißheim soll die Anwesenheit der Werke in München zum Anlass genommen werden, um sie zum ersten Mal gemeinsam mit den Pastellen der Alten Pinakothek in einer Sonderausstellung zu präsentieren.
Abbildungen:
Joseph Vivien (1657 –1734)
1 Kurfürst Max Emanuel von Bayern (1662–1726), um 1699 Pastell, 132,5 x 106 cm
2 Bildnis der Maria Anna Christine Victoria von Bayern (1660–1690), um 1700 Pastell, 133,5 x 105,4 cm
3 Philippe, Herzog von Anjou (1683–1746), 1700 Pastell, 100,1 x 81,7 cm
4 Louis, Herzog von Burgund (1682–1712), 1700 Pastell, 104,8 x 81,1 cm
5 Louis, Grand Dauphin de France (1661–1711), 1700 Pastell, 132,4 x 104,8 cm
6 Charles, Herzog von Berry (1686–1714), 1700 Pastell, 100,5 x 81,5 cm
7 Prof. Dr. Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen © Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Foto: Sibylle Forster
»Die Porträts des Kurfürsten Max Emanuel und der Familie des Grand Dauphin gehören zu den herausragenden Werken unserer Sammlung und sind – wie alle Pastelle – extrem empfindlich. Wir sind dankbar, dass uns die Ernst von Siemens Kunststiftung die Mittel für deren diffizile Restaurierung zugesagt hat.«
Prof. Dr. Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München
Ein Projekt der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen