Kopf des Caligula, um 40 n. Chr.
Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München
Der römische Kaiser Caligula, Großneffe seines Vorgängers Tiberius und Urenkel des Dynastiegründers Augustus, kam im Jahr 37 n. Chr. als 24-Jähriger zur Macht. Nur knapp vier Jahre regierte er das Imperium Romanum, bevor er am 24. Januar 41 n. Chr. einem Attentat zum Opfer fiel. Der antiken und auch der neuzeitlichen Geschichtsschreibung galt der jugendliche Herrscher seit jeher als Paradebeispiel eines größenwahnsinnigen Tyrannen. Erst die jüngere Forschung hat dieses einseitig negative Bild in Frage gestellt. Eindrücklich konnte dabei gezeigt werden, dass manche scheinbar rational nicht erklärbare Maßnahme des Kaisers durchaus wohl bedacht war.
Von Caligula sind uns angesichts seiner äußerst kurzen Regierungszeit lediglich 40 Bildnisse überliefert. Nur wenige von ihnen erreichen eine überdurchschnittliche bildhauerische Qualität. Deshalb ist die vorzügliche Neuerwerbung der Münchner Glyptothek in ihrem Wert kaum hoch genug einzuschätzen. Sie wurde in den 1930-er Jahren bei der Errichtung des Banco de España in Cordoba entdeckt und befand sich danach durchgängig in spanischem Privatbesitz.
Das Porträt zeigt den Kaiser mit einem Eichenkranz, der sogenannten Bürgerkrone (corona civica), die ihn als Wohltäter gegenüber seinen römischen Untertanen und als Sieger über alle Feinde charakterisiert. Der Kopf ist bis auf leichte Bestoßungen an den Lippen, der linken Wange und der linken Schläfe bestens erhalten. Nur die Nase und beide Ohrränder sind weggebrochen, ebenso der Mittelteil des Eichenkranzes und weitere Eichblätter. Der Hals wurde modern beschnitten.
Das Bildnis stammt vermutlich aus einer hochrangigen Werkstatt in den hispanischen Provinzen. Es folgt dem Haupttypus des Caligula-Porträts, das anders als die Darstellungen des Augustus und des Tiberius verstärkt individuelle Züge und – trotz der Jugend des Kaisers – sogar betonte Altersmerkmale aufweist. Dazu gehören die kräftigen Wangenknochen, die hohe Stirnpartie und die ausgeprägten Geheimratsecken.
Caligulaporträts mit Eichenkranz können nur während der Regierungszeit des Kaisers geschaffen worden sein. Damit besitzt der Kopf auch eine außergewöhnliche historische Bedeutung und schließt eine der wenigen gravierenden Lücken im reichen Porträtbestand der Münchner Glyptothek.
Dr. Florian Knauß
Abbildung: Kopf des Caligula, um 40 n. Chr, weißer Marmor, Höhe 36 cm (gesamt), Höhe 28,5 cm (Kinn-Scheitel), Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München