Kopf einer Sphinx
Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin
Tradition und Innovation, Idealbild und Porträt, Funktionsbindung und Individualität sind Spannungsbögen, aus denen die altägyptische Kunst ihre Aktualität, ihre stilistische Vielfalt, ihren ästhetischen Reiz bezieht.
Der altägyptische Königskopf aus braunem Grantz, nach den Bruchkanten am Nacken einer Sphinxfigur zuzuweisen, gehört aufgrund stilistischer Kriterien in die Blütezeit des Neuen Reiches, in die 18. Dynastie um 1470 v. Chr. So sicher diese Datierung ist, so vergeblich bleibt der Versuch einer namentlichen Benennung der dargestellten Herrscherpersönlichkeit, denn in den Jahrzehnten zwischen 1480 und 1460 v. Chr. Teilten sich der legitime Herrscher Tuthmosis III., der als Kleinkind die Nachfolge seines früh verstorbenen Vaters anzutreten hatte, und die De-facto-Regentin Hatschepsut, seine Stiefmutter, den Pharaonenthron.
In Königsbildern, deren Thema nicht der individuelle Herrscher, sondern die Institution des Königstums ist, drückt sich ein idealisierender Zeitstil aus, der keine namentliche Benennung zulässt, ja nicht einmal eine Festlegung auf ein weibliches oder männliches Geschlecht erlaubt, da das Königskopftuch mit der Uräusschlange und der Zeremonialbart als Herrschaftsinsignien beiden Geschlechtern zustehen. Nicht eine Person blickt uns über die Jahrtausende an, sondern eine über Jahrtausende lebendig gebliebene politische Institution, Pharao als Garant der Ordnung der Welt.
Dietrich Wildung
Abbildung: © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Margarete Büsing
Kopf einer Sphinx
Wahrscheinlich aus Theben, Ägypten
Neues Reich, 18. Dynastie, um 1470 v. Chr.
Granit, 16,5cm hoch
Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin