Kopien der bronzenen Tugendallegorien an der Westfassade der Münchner Residenz, um 1615
Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Residenz München
Die Gerechtigkeit liegt danieder – doch Hilfe naht: Dank der finanziellen Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung konnten im Auftrag der bayerischen Schlösserverwaltung 2014 die stark angegriffene Bronzeplastik der „Justitia“ und ihrer Schwester, der Klugheit oder „Prudentia“ von der Westfassade der Münchner Residenz restauratorisch bearbeitet werden. Geschaffen hat sie der Weilheimer Bildhauer und Modelleur Hans Krumper, der die beiden Figuren zusammen mit Personifikationen von „Stärke“ und „Mäßigung“ bis 1615 im Auftrag Herzogs (ab 1623 Kurfürst) Maximilians I. fertigstellte. Seit damals bildeten die vier überlebensgroßen Allegorien aus kostbarer Bronze, die vereint die vier herrschaftlichen Haupt- oder Kardinaltugenden vorstellen, den eindrucksvollen plastischen Dekor der barocken Eingangsfront der Residenz: Über den Portalen, zu Seiten der zentral positionierten Marienstatue wiesen sie den gewaltigen Bau als Sitz gerechter und frommer Herrscher aus.
Doch mittlerweile sind die Tugenden löchrig geworden: Luftschadstoffe, in Regenwasser gebunden, haben die einst sorgsam ziselierten Oberflächen in Jahrzehnten regelrecht zerfressen und schwarz verfärbt, wichtige ikonographische Details sind kaum mehr ablesbar. Im Rahmen einer auf mehrere Jahre ausgelegten Rettungsaktion wurde daher im Winter 2013 zunächst ein Tugendpaar mittels Kran vom nördlichen Portal gehoben und in die Gießerei gebracht. Im Anschluss an Pflege- und Konservierungsmaßnahmen trug man dort auf die frühbarocken Plastiken Mäntel aus Kunststoffmasse auf, um so in aufwendiger Handarbeit genaue Abgussformen zu gewinnen. Sie ermöglichten die Anfertigung von exakten Kopien der beiden Tugenden, die von den erfahrenen Gießern im originalen Material – Bronze – ausgeführt wurden. Die Oberflächen dieser noch rohen Metallgüsse in vielen Arbeitsstunden nachzubearbeiten und künstlich zu patinieren, um sie so den Vorbildern anzupassen, verlangt gleichermaßen Können, Ausdauer und Einfühlungsvermögen.
Ende 2014 sollen die Bronzekopien die Besucher der Residenz erneut empfangen, während die Originale künftig in geschützten Innenräumen präsentiert werden: Gilt es doch, Gerechtigkeit und Klugheit auch für die Zukunft zu schützen, zu bewahren – und zu zeigen!
Dr. Christian Quaeitzsch
Abbildung: Hans Krumper (um 1570 – 1634), Bronzeguss, Allegorie der Justitia.