Löwen-Aquamanile, frühes 14. Jh.
Schlossmuseum Schloss Friedenstein, Gotha
Dank der Vermittlung der Kulturstiftung der Länder erwarb 2008 die Ernst von Siemens Kunststiftung das Aquamanile und stellte es dem Schlossmuseum der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha als Dauerleihgabe zur Verfügung. Das Gießgefäß in Gestalt eines Löwen zählte zu den umfangreichen Verlusten, die den Gothaer Kunstsammlungen in der Zeit der Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg durch Diebstähle zugefügt wurden. 1949 gelangte es unter ungeklärten Umständen in den Kunsthandel und befand sich zuletzt in einer Privatsammlung. Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818-1893) hatte das Aqamanile 1880 von der Kirchgemeinde Molschleben erworben und dem ein Jahr zuvor eröffneten Herzoglichen Museum zu Gotha für die Skulpturensammlung als Schenkung übergeben. In der spätgotischen Sankt-Peter-Pauls-Kirche des nordöstlich von Gotha gele genen Dorfes Molschleben war das Gefäß bis in das frühe 18. Jahrhundert als Taufkanne verwendet worden. Damit ist es eines der wenigen bekannten Aquamanilien die eine bis in das 17. Jahrhundert reichende Geschichte aufweisen.
Vermutlich ist es einer Initiative des Theologen, Volkskundlers und Kirchenhistorikers Hermann Gebhardt (1824-1899) zu verdanken, dass Herzog Ernst Il. das Löwen-Aquamanile für die Sammlung des Gothaer Museums erworben hat. Gebhardt war von 1869 bis 1896 in Molschleben als Pfarrer tätig und erkannte die kunsthistorische Bedeutung des in der Sakristei der Pfarrkirche aufbewahrten Gefäßes.
Aquamanilien haben ihren Ursprung im Vorderen Orient und gelangten während der Zeit der Kreuzzüge nach Westeuropa. Hier fanden sie nicht nur im weltlichen, sondern zunehmend auch im liturgischen Bereich als Gießgefäße zur rituellen Handwaschung der Priester Verwendung.
Ute Däberitz
Das Aquamanile, ein Gießgefäß zur Handwaschung im Gottesdienst oder bei Tisch, gibt sich als Löwe mit aufgerichtetem Kopf und leicht nach vorne gestemmten Beinen. Die vorgewölbte Brust wird durch ein dichtes, in feinziselierten Strähnen arrangiertes Fell betont. Die rundlichen Formen des Kopfes relativieren die wehrhafte Haltung. Die großen mandelförmigen Augen werden von mächtigen Brauen überspannt, die Nase läuft nach vorne und endet über den dicken Polstern der Oberlippe, in denen punktförmige Vertiefungen den Ansatz der Schnurrbarthaare markieren. Das Maul ist geschlossen. Der schlanke Körper ist glatt, nur an den Hinterseiten der Läufe wird Behaarung angedeutet.
Die Stilisierung, die die gesamte Figur beherrscht, wird am deutlichsten in der Ausführung des Schweifes, der gleichzeitig den Henkel des Gefäßes darstellt. Er ist flach gehalten, aus seiner Schmalseite wachsen kleine Haarbüschel wie Flammen nach oben. Nicht zuletzt dieses Detail gibt den Anhaltspunkt für die zeitliche und örtliche Einordnung des Gefäßes: Die „Flammschweif-Löwen'" sind eine kleine Gruppe aus der frühen Produktion der Nürnberger Messinggießer, die an der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert den ersten Höhepunkt ihrer Leistungskraft erreicht hatten. Die heraldisch anmutende Abstraktion und der eigenwillige Schwanz sind Merkmale, die man auch an unserem Löwen beobachten kann; die Einzelformen von Gesicht und Kopf fügen sich ebenso in die Reihe seiner Nürnberger Artgenossen ein. Charakteristisch ist auch der tief angesetzte, in seiner ursprünglichen Form erhaltene Ausguss, dem lediglich das „Drehküken" zur Betätigung des Ventils verlorengegangen ist. In der Regel zeigen sich die Raubkatzen allerdings mit weit aufgerissenem Rachen, sein geschlossenes Maul verleiht diesem Exemplar damit eine Ausnahmestellung.
Dr. Ralf Schürer
Abbildung: