Ludolf Backhuysen, Die Übergabe des Oberbefehls an Michiel de Ruyter am 18. August 1665, 1671

Ostriesische Landesmuseum, Emden

Auf bewegter See formieren sich Kriegsschiffe, darunter die Delftland links im Mittelgrund, die zum Hauptmotiv erhoben ist. Dem mächtigen Dreimaster ist im Wechsel der Bildhälften, auch im Wechsel von Schatten und Licht, eine statenjacht gegenübergestellt. Am Bugspriet, Mast, Gaffelstock und Heck der Jacht, die in rasanter Fahrt hart am Wind segelt, ist die Flagge der Generalstaaten mit dem schreitenden Löwen auf hellem Grund gehisst. Im Spiegel des Schiffes halten zwei Nereiden das Wappen von Amsterdam. Die Schmuckelemente, die scharfen Konturen der Masten und Stenge sowie die repräsentative Seitenansicht verleihen dem Schiff elegante Erscheinung. Die beiden vollbesetzten Schaluppen im Vordergrund bezeichnen räumlich die Mitte zwischen der Delftland und der Jacht. Sie verbinden die Schiffe nicht nur formal, sondern auch inhaltlich.

Dekkers zufolge ist die Überfahrt des Admirals Michiel de Ruyter und des Ratspensionärs Johan de Witt am 18. August 1665 von der Jacht auf die Delftland wiedergegeben. Während der Admiral und der Ratspensionär in der vorderen Schaluppe Platz genommen haben, feuert die Jacht, die zur heimatlichen Küste zurückkehrt, zum Abschied Salut. Das Flottenaufgebot mit der Delftland an der Spitze segelt dagegen in entgegengesetzter Richtung. Anlass für De Ruyters Fahrt auf der Jacht der Generalstaaten war das Zeremoniell seiner Vereidigung zum Lieutenant-Admiral der Provinzen Holland und Westfriesland und zum Oberbefehlshaber der Staatsflotte.

Das Gemälde zählt zu den eindruckvollen Beispielen der zur vollen Reife entwickelten Kunst Backhuysens. Stilistisch zeichnen diese Schaffensphase das fein nuancierte Kolorit, die dünne, bisweilen transparente Malweise sowie der stets ausbalancierte Aufbau des Bildganzen aus. Die bilaterale Gliederung der Schiffsmotive, die den freien Ausblick zur Tiefe hin gassenartig rahmen, setzt die Auseinandersetzung mit Arbeiten Simon de Vliegers voraus. An einem beruhigten, statischen Zustand der Bilderscheinung war Backhuysen allerdings nicht interessiert. Ihm ging es vielmehr darum, durch Nebeneinandersetzen klarer Form-, Farb- und Lichtkontraste den Einfluss äußerster Bewegung zu vermitteln. Eine präzise Zeichnung, die auch den Details Aufmerksamkeit schenkt, steigert diese Wirkung.

Das Motiv des hell beleuchteten, schnell fahrenden Segelschiffes in Seitenansicht ist von Backhuysen seit den 1670er Jahren mit Vorliebe dargestellt worden. Er hat diese „Bilderfindung“ in zahlreichen Kompositionsstudien variiert, auch in einer Reihe ausgearbeiteter, d. h. für den Verkauf bestimmter Zeichnungen.

Dr. Friedrich Scheele

Abbildung:

Ludolf Backhuysen, Die Übergabe des Oberbefehls an Michiel de Ruyter am 18. August 1665, 1671
© Ostriesische Landesmuseum, Emden