Lyonel Feininger, Roter Turm I, 1930
Stiftung Moritzburg Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt
Das Gemälde Roter Turm I gehört zur Serie der elf Halle-Bilder, die Lyonel Feininger zwischen 1929 und 1931 im Auftrag der Stadt Halle schuf. Der Direktor des Museums, Alois Schardt, richtete ihm dafür im Torturm der Moritzburg ein Atelier ein. In dieser Bildserie fand Feininger zu einer neuen Formulierung des Themas Stadtlandschaft. Mit einfühlsamem Blick gelang es ihm, die Marktkirche mit ihren vier Türmen, den steil aufragenden Roten Turm und den blockhaften Dom von Halle in Lichtbrechungen und Farbklängen unpathetisch zu monumentalisieren und dabei viele architektonische und atmosphärische Stimmungsfacetten der Stadt einzufangen.
Die Dramatik des durch eine enge Straßenschlucht geschauten Roten Turmes, seine steil aufwachsende Gestalt, hat Feininger ganz besonders fasziniert, wie zahlreiche Fotografien und Naturnotizen belegen. Über der Sockelzone der Häuser richtet sich der Blick zur hoch aufragenden Helmspitze, eingeklemmt zwischen Hauswände, die sich im Spiel von Schatten und Gegenlicht prismatisch auffächern. In einem wunderbar abgestimmten Farbspiel von Blau über Gelb bis zu warmem Rotbraun leiten die Hausfassaden zum Hauptmotiv, dem Turm hin. In der Schichtung der Farbflächen erinnert dieses Bild noch stark an die transparenten Farbüberlagerungen, die Feininger Mitte der 1920er Jahre bevorzugte.
Die Halle-Serie wurde mit dazugehörigen Kohleskizzen 1931 vom Museum angekauft, 1937 in der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und dann von Kunsthändlern im Tausch übernommen. Der Dom in Halle und die Marienkirche mit dem Pfeil fanden schon 1948 und 1957 ihren Weg in die Moritzburg zurück. Das Gemälde Roter Turm I galt über Jahrzehnte als verschollen. Mit seiner Rückkehr sind in der Moritzburg nun wieder alle drei Motive der Halle-Bilder präsent, aus zwei Einzelwerken ist eine kleine Serie geworden.
Katja Schneider