Marcel Breuer, Kinderbettchen, 1927
Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Berlin
Marcel Breuer absolvierte von 1920 bis 1924 eine Lehre in der Tischlerei des Bauhauses und war als Jungmeister von 1925 bis 1928 Leiter der Möbelwerkstatt. Seit 1928 führte er ein Architekturbüro in Berlin, arbeitete in den Jahren von 1935 bis 1937 als Architekt in London und war ab 1937 Professor für Architektur an der Harvard University, Cambridge, Mass./USA. Mit den seit 1925 von ihm entwickelten Stahlrohrmöbeln und seinen Wohnungseinrichtungen trug Breuer zu einer neuen, modernen Vorstellung des Wohnens bei, die uns bis heute maßgeblich prägt. Er wurde damit über die 1920er Jahre hinaus zu einem der bedeutendsten Möbelentwerfer und Innenarchitekten des 20. Jahrhunderts.
Das Kinderbett entwarf er im Rahmen der Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ in Stuttgart 1927, deren Herzstück eine von führenden Architekten des Neuen Bauens am Weißenhof errichtete Mustersiedlung mit vollständig eingerichteten Wohnungen war – einem der Kulminationspunkte der Moderne in Europa. Der beteiligte Architekt Walter Gropius wählte für seine beiden Häuser Möbel von Marcel Breuer; das Haus 16 plante er für „eine familie des mittelstandes von 4-6 köpfen mit einer hausangestellten“. Aus diesem Kontext stammt das Kinderbett, das nach Ende der Ausstellung verkauft wurde. Es ist davon auszugehen, dass dieser Entwurf nur einmal für die Weißenhof-Ausstellung angefertigt wurde. Die seitlichen Wangen des Bettes lassen sich herunterklappen. Auffällig sind die drei Reihen kreisrunder Bohrungen, die sich am Kopf- und Fußteil wiederholen. Sie dienen einerseits der Belüftung und visuellen Verbindung des Kindes mit seiner Umwelt, sind zugleich aber gestalterisch von Bedeutung und lassen sich mit den geometrischen Mustern in Zusammenhang bringen, die Breuer bei einigen seiner frühen Holzmöbel, vor allem aber als Architekt bei der Gestaltung von Fassaden und Innenräumen verwendet hat. Das Bett belegt eindrucksvoll Breuers Bestrebungen nach Vereinfachung und Systematisierung im Möbelbau.
Das Kinderbett hat höchsten Seltenheitswert und befindet sich in einem sehr guten Erhaltungszustand. Es ist eine hervorragende Ergänzung zur wohl umfassendsten Sammlung an Breuer-Möbeln weltweit, die sich im Bauhaus-Archiv Berlin befindet.
Sibylle Hoiman
Abbildung:
Marcel Breuer (1902-1981), Kinderbettchen, 1927. Entwurf; Tischlerei Bauhaus Dessau, auf Leistenrahmen montiertes Sperrholz, Seitenteil aus massivem Kiefernholz, in zwei Grautönen lackiert, 90,2 cm x 126,6 cm x 60,7 cm
© Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Berlin