Maria aus einer Kreuzigungsgruppe

Skulpturensammlung, Staatliche Museen zu Berlin

Die auch auf ihrer Rückseite ausgearbeitete Marienfigur war Teil einer (verschollenen) Kreuzigungsgruppe, die über einem Chorbogen oder Altar aufgestellt gewesen sein dürfte. Auf einem ehemals erhöhten Standort deutet die auf Untersicht ausgelegte Ausarbeitung hin. Trotz der Herauslösung aus einem Ensemble besitzt die Gestalt aufgrund ihrer individualisierenden Züge einen besonderen Reiz. In diesem Zusammenhang ist auf den feinen Spannungsverlauf in der Modellierung von Gesicht und Händen hinzuweisen, die in der Gesamtform zugleich großzügig – auf die Distanz des Betrachters berechnet – gehalten ist. Gewandliche Geschlossenheit und gedrungene Proportionen unterstützen den Eindruck körperlicher Gegenwartsnähe. Die Draperiemotive, die sich durch eine große Variationsbreite auszeichnen, tragen als ausladende Schüsselfalten wie auch im ornamentalen Spiel der Säume, der Schleierborte oder der Faltenkaskade des Mantels unterhalb der linken Hüfte, zur räumlichen Wirkungsweise der Figur bei.

Der Werkstoff – Zirbelholz – ist Indiz für eine Herkunft des Bildwerks aus dem Alpengebiet, vor allem aus Südtirol, wo es zunächst stilistisch isoliert zu stehen scheint. Eine engere Beziehung, besonders deutlich im Physiognomischen, lässt sich indes zu den Fragmenten des ehemaligen Hochaltarretabels der Stadtpfarrkirche in Bozen erkennen. Jenes Retabel ist von dem in der Steiermark tätige, dem Wiener Kunstkreis zuzuordnenden Meister Hans von Judenburg nach 1422 ausgeführt worden. Merkmale der Farbfassung scheinen nach jüngsten Untersuchungen eine solche Beziehung zu bestätigen.

Hartmut Krohm

Abbildung: ©Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst / Antje Voigt
Maria, aus einer Kreuzigungsgruppe
Südtirol, um 1420/25
Zirbelkiefer, weitgehend original erhaltene Farbfassung
124 cm hoch x 37,7 cm breit x 30 cm tief
Skulpturensammlung, Staatliche Museen zu Berlin